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Mutmaßlichen Täter zehnmal „Killer“ genannt“

Boulevardzeitung verstößt erheblich gegen den Pressekodex

In einer Boulevardzeitung erscheinen im Verlauf von drei Monaten zwölf Artikel gedruckt und online mit Berichten über einen Mann, der von der Polizei gesucht wird. Mehrfach wird dieser in den Überschriften und im Text als „Killer“ bezeichnet. Die Beiträge sind unter anderem mit Bildern des Opfers Özgür S. illustriert. Im letzten der zwölf Artikel geht es um die Festnahme des Gesuchten. Der Beschwerdeführer sieht in der Berichterstattung und der regelmäßigen Verwendung des Begriffs „Killer“ eine Verletzung des Kodex-Gebotes der Unschuldsvermutung. Auch fehle das Wort „mutmaßlich“ in der Berichterstattung. Der Beschwerdeführer kritisiert auch einen Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex (Persönlichkeitsrechte). Das Opfer werde genannt und abgebildet, offensichtlich ohne die Einwilligung der Angehörigen. Aus Sicht der auf die Beschwerde antwortenden Rechtsabteilung des Verlages steht die Täterschaft des gesuchten Mannes zweifelsfrei fest. Sie verweist auf ein Überwachungsvideo, das den Mann bei seiner Tat filmisch festgehalten hat. Der behauptete Verstoß gegen den Opferschutz liege ebenfalls nicht vor. Entgegen den „Spekulationen“ des Beschwerdeführers habe die Redaktion sehr wohl eine Einwilligung der Angehörigen des Opfers für die Fotoveröffentlichung eingeholt und zwar bei einem Cousin des Getöteten.

Der Beschwerdeausschuss stellt in zehn von zwölf Berichten über den „Killer“ einen schweren Verstoß gegen den Schutz der Persönlichkeit nach Ziffer 8 in Verbindung mit dem Opferschutz nach Richtlinie 8.2 des Pressekodex fest. Er spricht eine öffentliche Rüge aus. An den Vorgängen besteht ein öffentliches Interesse, nicht jedoch an den persönlichen Details des Opfers. Die Identität von Opfern ist nach Richtlinie 8,2 besonders zu schützen. Einen Verstoß gegen die Ziffer 13, Richtlinie 13.1, erkennt das Gremium nicht. In der Berichterstattung wird zwar im Indikativ, aber mit Verweis auf die Ermittlungsergebnisse der Polizei berichtet. Die Redaktion durfte von einer Täterschaft ausgehen. Es wird im Text zudem hinreichend deutlich, dass die Tat noch nicht abschließend aufgeklärt und die Schuld noch nicht gerichtsfest erwiesen ist.