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VW-Aufsichtsrätin als „Auto-Hasserin“ bezeichnet

Die Grenze zur Ehrverletzung wurde eindeutig überschritten

Eine Boulevardzeitung veröffentlicht gedruckt und online Beiträge unter den Überschriften „Grüne Autohasserin (36) kontrolliert jetzt VW“ bzw. „Auto-Hasserin kam mit dem Auto“. In den Artikeln geht es um Julia Willie Hamburg, die neue stellvertretende Ministerpräsidentin von Niedersachsen und ihre Position als Mitglied des Aufsichtsrats von VW. Mehrere Beschwerdeführer sehen in den Beiträgen eine überzogene und unsachliche Berichterstattung. Diese sei geeignet, das gesellschaftliche Klima zu vergiften. Mit falschen Tatsachenbehauptungen solle Frau Hamburg in Misskredit gebracht werden. Die Rechtsabteilung des Verlages weist darauf hin, dass die neue VW-Aufsichtsrätin als Mitglied der „Grünen“ einer Partei angehöre, deren umwelt- und verkehrspolitische Positionen mit „auto-kritisch“ noch zurückhaltend beschrieben sein dürften. Eine dem Automobil als Fortbewegungsmittel kritisch gegenüberstehende Politikerin pointiert als „Autohasserin“ zu bezeichnen, sei eine presseethisch nicht zu beanstandende Meinungsäußerung. Julia Willie Hamburgs politisches Wirken und ihr öffentliches Auftreten böten hinreichende Anhaltspunkte für die Bewertung ihrer Person als „Auto-Hasserin“.

Der Beschwerdeausschuss kommt zu dem Schluss, dass die Berichterstattung die Grenze zur Ehrverletzung nach Ziffer 9 des Pressekodex deutlich überschreitet. Er spricht eine öffentliche Rüge aus. Die Zeitung unterstellt der Frau durch die Bezeichnung „Autohasserin“ eine extrem negative Emotion gegenüber Autos. Dafür gibt es jedoch keine hinreichenden Anknüpfungstatsachen. Unter dem Gesichtspunkt der journalistischen Sorgfaltspflicht handelt es sich bei der Bezeichnung um eine unbelegte Tatsachenbehauptung. Der Umstand, dass Frau Hamburg den „Grünen“ angehört und überwiegend mit dem Fahrrad unterwegs ist, rechtfertigt nicht die Bezeichnung „Autohasserin“. Diese ist geeignet, Frau Hamburg in Misskredit zu bringen.