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Schwere Vorwürfe gegen Gewerkschafts-Boss

Sicherheitsbehörden eingeschaltet -Anonyme Drohungen

Eine Berliner Zeitung berichtet online unter der Überschrift „Bilanz zum 1. Mai in Berlin: 500 Randalierer, 37 Festnahmen, 30 verletzte Polizisten“. Die Redaktion berichtet ausführlich über schwere Vorwürfe einer Gruppe gegen den Geschäftsführer der dju Berlin-Brandenburg. Er nutze seinen Job und seine beruflich erworbene Reichweite, um politisch missliebige Meinungen mundtot zu machen. Die Redaktion zitiert aus einer linksautonomen Plattform. Der Geschäftsführer der Gewerkschaft dju wendet sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Er berichtet von anonymen Drohungen, die ihn erreicht hätten. Das sei so weit gegangen, dass sich die Sicherheitsbehörden mit seinem Fall befasst hätten. Er habe abwägen müssen, ob er seinen Beruf rund um den 1. Mai ausüben könne oder nicht. Mit der Veröffentlichung sei er Opfer einer Straftat geworden. Eine Stellungnahme der Redaktion lag zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht vor.

Die Berichterstattung verletzt die journalistische Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 des Pressekodex. Der Beschwerdeausschuss spricht eine öffentliche Rüge aus. Ausschlaggebend ist, dass die Redaktion sehr ausführlich die schweren Vorwürfe, die auf einer linksradikalen Plattform geäußert worden sind, zitiert und diese einseitig im Raum stehen lässt. Die Vorwürfe werden für die Leserschaft weder ausreichend eingeordnet noch wurde der Betroffene selbst gehört. Das wäre unter dem Aspekt des sorgfältigen Umgangs mit Informationen erforderlich gewesen. Der Presserat erkennt einen schweren Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 des Kodex.