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Die Stammkneipe als Gerüchteküche

Drogen, Alkohol und gelegentliche Tätigkeit auf dem Straßenstrich

In ihrer Online-Ausgabe berichtet eine Regionalzeitung über den Mord an einer jungen Frau unter der Überschrift „Zerstückelte Frauenleiche aus (…) identifiziert“. Im Beitrag werden nähere Informationen über die Herkunft des Opfers gegeben. So heißt es darin, dass die Frau zuweilen auf dem Straßenstrich gearbeitet habe. Die Zeitung berichtet auch dies: „Nach (…)-Informationen soll Monika P. eine geistige Behinderung gehabt und regelmäßig Alkohol getrunken und Marihuana geraucht haben“. Ein Leser der Zeitung sieht die Ehre der Getöteten verletzt. Die von der Zeitung gegebenen Informationen seien zum Verständnis des Vorgangs nicht erforderlich gewesen. Überdies habe es sich nicht um recherchierte Fakten, sondern um Gerüchte aus der Stammkneipe des Opfers gehandelt. Die Zeitung erwähne zudem eine geistige Behinderung der Getöteten. Gerade vor diesem Hintergrund hätten die Schutzinteressen nach Ziffer 8 des Pressekodex besonders berücksichtigt werden müssen. Der Chefredakteur der Zeitung weist den Vorwurf der ehrabschneidenden Berichterstattung über das Opfer zurück. Im Gegenteil sei der Hinweis darauf, dass die Ermordete geistig behindert gewesen sei, als ein weiteres Indiz für die Verwerflichkeit der grausamen Tat zu sehen. Die Redaktion sei nach entsprechenden Hinweisen der Polizei der Frage nachgegangen, wo Monika P. sich in den letzten Stunden ihres Lebens aufgehalten habe. Den Aussagen von Zeugen zufolge habe sich die Frau in einem bestimmten Milieu bewegt, in dem der Konsum von Alkohol und anderen Drogen üblich sei. Auch die Tatsache, dass sie gelegentlich auf den Straßenstrich gegangen sei, könne für die Hintergründe der Tat von Bedeutung sein. (2010)