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Arzt tötet seine Frau und dann sich selbst

Zeitung hätte auf viele persönliche Details verzichten müssen

„Arzt (70) schießt Ehefrau (40) in den Kopf“ – so überschreibt die Online-Ausgabe einer Großstadtzeitung ihren Bericht über ein Ehe-Drama. Danach hat ein Mann seine Frau und dann sich selbst erschossen. Die Tat habe sich auf einem Reiterhof ereignet, den die Zeitung mit Namen und genauer Ortsangabe nennt. Die Beteiligten werden mit Vornamen und abgekürztem Nachnamen sowie ihrem Alter genannt. Der Arzt habe in einer Tagesklinik in einem von der Redaktion genannten Stadtteil einer Großstadt bis vor kurzem als Gynäkologe gearbeitet. Er sei Spezialist für Regelbeschwerden gewesen. Kürzlich sei die Frau aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen. Die Zeitung nennt auch den bis zu diesem Zeitpunkt gemeinsamen Wohnort, in dem etwas über tausend Menschen leben. Der Artikel enthält in der dem Presserat vorgelegten Version drei Fotos. Davon zeigt eines den Arzt in seinem Behandlungszimmer. Im Hintergrund ist das linke Bein einer Patientin zu sehen, die auf einem gynäkologischen Behandlungsstuhl liegt. Der Beschwerdeführer – ein Nutzer des Online-Portals der Zeitung – hält die Veröffentlichung für nicht vereinbar mit dem Pressekodex. Die Bildauswahl sei pietätlos. Ein Bild aus dem Berufsalltag des Arztes zeige diesen unverpixelt und eine Frau, die mit gespreizten Beinen auf einem Behandlungsstuhl liege. Dieses Bild hätte nicht veröffentlicht werden dürfen. Es habe überdies mit der Tat, über die die Redaktion berichte, nichts zu tun. Der Presserat hat das Verfahren im Hinblick auf einen möglichen Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex (Persönlichkeitsrechte) erweitert, weil die Zeitung identifizierend über Täter und Opfer berichtet hat. Die Zeitung wurde erneut um eine Stellungnahme gebeten. In der nunmehr vorgelegten Version ist das kritisierte Bild nicht mehr enthalten. Nach Meinung des stellvertretenden Chefredakteurs ist die Berichterstattung in Wort und Bild nicht zu beanstanden. Anders als der Beschwerdeführer ist er der Meinung, dass die soziale und berufliche Herkunft des Täters angesichts des dramatischen Tatverlaufes bei der Berichterstattung eine Rolle spielen dürfe. Zum anderen sei auf dem zunächst veröffentlichten Foto neben dem Täter keine andere Person erkennbar.