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Passanten filmen brutale Szenen

Mädchen fallen über eine 14-Jährige Passantin her

13-Jährige treten 14-Jährige auf Bahnsteig krankenhausreif“ - so überschreibt ein Nachrichtenmagazin online einen Bericht. In diesem geht es um Szenen von großer Brutalität, die – so die Redaktion – ein Video im Internet zeige. Auch als es wehrlos am Boden gelegen habe, hätten die Mädchen immer wieder gegen den Kopf und in den Bauch des Opfers getreten. Die rohe Gewalt sei aber nicht das einzig Verstörende. Denn anstatt einzuschreiten, hätten Umstehende das Geschehen auch noch gefilmt. In den Beitrag ist ein Video eingefügt, in dem ein Redakteur das Geschehen kommentiert und ein kurzer Ausschnitt aus einem von Passanten gefilmten Handy-Video zu sehen ist. Das Video ist stark verwackelt und von schlechter Bildqualität. Die Gesichter oder sonstige besondere Merkmale des Opfers und seiner Angreiferinnen sind nicht zu sehen. Die Redaktion zeigt am Ende des Videos zwei Standbilder der Szene. Der Beschwerdeführer sieht durch die Berichterstattung mehrere presseethische Grundsätze verletzt. Im Beitrag würden Szenen veröffentlicht, die eine wehrlose, möglicherweise bewusstlose Minderjährige zeigten. Sie sei durch die Täterinnen schwer verletzt worden. Der Vorgang sei von Umstehenden aufgenommen worden, die nicht eingegriffen hätten. Es handele sich dabei vermutlich um Mittäter, zumindest aber Gaffer. Der Chefredakteur des Magazins teilt mit, der Fall habe bundesweit Schlagzeilen gemacht, nachdem ein Video des Vorgangs verbreitet worden sei. Die Redaktion sei sich ihrer besonderen Verantwortung in derartigen Fällen durchaus bewusst. Der Chefredakteur betont, dass weder Täterinnen noch deren Opfer auch nur ansatzweise zu identifizieren seien.

Der Beschwerdeausschuss sieht in der Berichterstattung Verstöße gegen die Ziffern 1 (Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde) und 11 (Sensationsberichterstattung, Jugendschutz). Er spricht eine öffentliche Rüge aus. Vor allem kritisiert das Gremium, dass das Mädchen erneut zum Opfer gemacht worden sei. Erschwerend kommt hinzu, dass es sich sowohl bei dem Opfer als auch bei den Täterinnen um Minderjährige handelt, die nach dem Pressekodex besonderem Schutz unterliegen. Die Redaktion zeigt einen körperlich leidenden Menschen in einer Weise, die über das öffentliche Interesse der Leserschaft hinausgeht. Ein Verstoß gegen den Schutz der Persönlichkeit nach Ziffer 8 war hingegen aufgrund der mangelnden Identifizierbarkeit von Opfer und Angreiferinnen ebenso zu verneinen, wie eine Ehrverletzung nach Ziffer 9 des Pressekodex.