Haus von Verdächtigen im Bild gezeigt
Zeitung lässt sich eine Vorverurteilung nicht zuschulden kommen
Eine Regionalzeitung berichtet über eine Hausdurchsuchung, die bei Verdächtigen im Zusammenhang mit einem Mordfall vorgenommen wurde. Der Artikel enthält den Namen der Straße, in der sich das Haus befindet, sowie ein Foto des Anwesens. Ein Leser der Zeitung hält die Abbildung des Wohnhauses für presseethisch unzulässig. In einer Kleinstadt wie in diesem Fall führe diese Art der Berichterstattung zu einer Vorverurteilung. Dies auch dann, wenn aus dem Text hervorgehe, dass die Schuld der Verdächtigen nicht nachgewiesen sei. Zu der Beschwerde nimmt der örtliche Redaktionsleiter Stellung. Nach seiner Auffassung rechtfertigten die Schwere des Verbrechens und der über einen Anfangsverdacht hinausgehende Tatverdacht eine Berichterstattung in Wort und Bild. Der Ermordete, ein Antiquitätenhändler, sei schon mehrfach Opfer von Überfällen gewesen. Sein auffälliges Geschäft, an einer Hauptstraße gelegen, sei einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Der Mord und die anschließenden Ermittlungen seien das herausragende Nachrichtenthema im lokalen Umfeld gewesen. Das ohnehin starke öffentliche Interesse sei auch von den Behörden forciert worden. Die Polizei habe beispielsweise mit Plakaten und einer mehrstündigen Verkehrskontrolle im Bereich des Tatortes öffentlichkeitswirksam ermittelt. Eine Durchsuchung des in der Zeitung abgebildeten Anwesens sei wegen der geschilderten Vorgeschichte Stadtgespräch gewesen. Die Abbildung des Hauses sei nach Meinung des Redaktionsleiters zulässig gewesen. Die Zeitung habe die genaue Adresse nicht genannt. Angaben zu den Bewohnern und anderen sich im Haus aufhaltenden Personen seien unterblieben. Das im konkreten Fall überwiegende Interesse an Informationen über die Hausdurchsuchung ergebe sich aus der Schwere des Verbrechens, der Relevanz des Falles und des konkreten Verdachts. Aufgrund der Wahrnehmbarkeit der Polizeiaktion sei ein zusätzliches Informationsbedürfnis entstanden.