„Die kleinen Augen wirken kalt“
Nach dem Geständnis ist die Bezeichnung „Mörder“ zulässig
„Verriet das Handy Mircos Killer?“ – so überschreibt die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung einen Bericht über die erfolgreiche Suche der Polizei nach einem Mann, dem die Tötung eines Zehnjährigen vorgeworfen wird. Dem Bericht ist ein Bild des Verdächtigen beigestellt. Es ist ungepixelt. Der Bildtext: „Auf dem Foto aus dem Knast wirkt Mircos Killer aufgedunsen, hat die Lippen aufeinander gepresst. Die kleinen Augen wirken kalt, blicken teilnahmslos in die Kamera“. Ein Leser übt Kritik daran, dass die ungepixelte Darstellung des mutmaßlichen Täters gegen dessen Persönlichkeitsrechte verstoße. Der Mann sei klar zu identifizieren. Die Bildunterschrift spreche von purer Sensationslust. Die Zeitung – so der Beschwerdeführer weiter – mache sich auch der Vorverurteilung schuldig, wenn sie den Mann als „Mircos Killer“ bezeichne. Die Rechtsabteilung der Zeitung verweist auf besondere Umstände im „Fall Mirco“. Der Fall habe bundesweites Interesse gefunden. Nach der Entführung des Kindes habe die Polizei den Täter in ganz Deutschland gesucht. Es sei eine der größten Suchaktionen in der deutschen Kriminalgeschichte gewesen. Schließlich sei ein 45-jähriger Familienvater festgenommen worden, der den Jungen sexuell missbraucht und dann getötet habe. Die Öffentlichkeit stelle sich die Frage, warum ein treusorgender Familienvater einen wehrlosen Jungen getötet habe. Vor diesem Hintergrund habe ein überragendes Informationsinteresse am Abdruck des Fotos bestanden. Ein entscheidender Grund für diese Art der Berichterstattung sei das umfassende Geständnis gewesen, das der mutmaßliche Täter abgelegt habe. Mit Blick auf die Ziffer 13 des Pressekodex (Unschuldsvermutung) weist die Zeitung daraufhin, dass die Presse eine Person als Täter bezeichnen dürfe, wenn ein Geständnis abgelegt sei und zudem Beweise gegen sie vorlägen. Beides sei im „Fall Mirco“ der Fall gewesen. Den Vorwurf, mit der Bildunterschrift gegen Ziffer 1 des Pressekodex zu verstoßen, weist die Rechtsabteilung zurück. Eine unangemessen sensationelle Darstellung liege nicht vor. Die Redaktion habe lediglich wiedergegeben, wie das veröffentlichte Foto des Tatverdächtigen auf sie gewirkt habe. (2011)