Die OB-Adresse ist allgemein bekannt
Zeitung darf im Bericht über Steuerfahndung Einzelheiten nennen
Eine Regionalzeitung berichtet, dass gegen den Oberbürgermeister einer Stadt im Verbreitungsgebiet wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung ermittelt wird. Ermittler hätten die Wohnung des Stadtoberhauptes durchsucht. In diesem Zusammenhang nennt die Redaktion die Straße, in der der OB wohnt. Dieser beanstandet die Nennung seines Wohnorts, wo auch seine Frau und seine Kinder wohnen. Dies verstoße gegen Richtlinie 8.2 des Pressekodex. Der Chefredakteur der Zeitung weist die Beschwerde mit dem Hinweis zurück, dass die Privatadresse des Oberbürgermeisters stadtbekannt sei. Sie sei nicht nur im Telefonbuch nachzulesen, sondern auch im öffentlichen Verzeichnis eines Sportbundes mit vollständiger Wohnadresse inklusive privater Handynummer und privater Mailadresse aufgeführt. In anderen Telefonverzeichnissen sei der Beschwerdeführer ebenfalls mit vollem Namen und Adresse zu finden. Offensichtlich habe sich der Kommunalpolitiker bislang keine Mühe gegeben, seine private Anschrift zu verbergen. In der Berichterstattung – so fährt der Chefredakteur fort – sei es zwingend erforderlich gewesen, zumindest die Straße zu nehmen, da die Razzia der Steuerfahnder an zwei Orten stattgefunden habe, nämlich in den Geschäftsräumen und im Wohnhaus. Zum Verständnis des Vorgangs erläutert der Chefredakteur, dass der Kommunalpolitiker vor seiner Wahl verschwiegen habe, dass gegen ihn wegen des Verdachts des Steuerbetrugs ermittelt werde. Als der Mann dann vor Gericht gestanden habe und zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten mit Bewährung und einer Geldauflage von 15000 Euro verurteilt worden sei, hätte auch dies vor der Öffentlichkeit verheimlicht werden sollen. Die Öffentlichkeit sei erst durch die Berichterstattung aus einer nichtöffentlichen Ausschusssitzung über den Fall informiert worden. (2010)