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Vorzeitig über einen „Mord“ berichtet

Boulevardzeitung hätte Opfer und Täter anonymisieren müssen

„So brutal war der Killer zu seiner Freundin“ titelt die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung. Sie beschäftigt sich mit einem Mann, der Suizid begangen hat. Er sei Gegner von Stuttgart 21 gewesen und bei Protesten einmal mit der Polizei in Konflikt geraten. Die Zeitung bezeichnet ihn als „Killer“ und berichtet, dass die Freundin des Mannes ermordet worden sei. In deren Wohnung habe man viel Blut gefunden. Bis zum Zeitpunkt der Berichterstattung war die Leiche der Frau jedoch nicht gefunden worden. Im Beitrag werden Fotos der beiden Personen veröffentlicht sowie Vornamen und abgekürzte Vornamen genannt. Eine Leserin der Zeitung ist der Auffassung, dass die beiden Personen identifizierbar seien. Auch habe die Zeitung die journalistische Sorgfaltspflicht verletzt, da sie von Mord spreche, obwohl noch gar keine Leiche gefunden worden sei. Die Beschwerdeführerin kritisiert eine Vorverurteilung, da ein Verdächtiger als Täter dargestellt werde. Schließlich sieht sie eine Verunglimpfung von Stuttgart-21-Gegnern, da zu diesen ein unsachgemäßer Bezug hergestellt werde. Diesen Vorwurf weist die Rechtsabteilung der Zeitung zurück. Der Verdächtige sei unstreitig unter anderem im Zusammenhang mit Stuttgart 21 bei Demonstrationen öffentlich und gewalttätig in Erscheinung getreten. Die Geschichte um den Mord an seiner Freundin sei deshalb so aufwühlend, weil die Tat von einem Umweltaktivisten und Esoteriker an einem Opfer verübt worden sei, das sich in den gleichen Kreisen bewegt habe. Der Betroffene habe gegen Stuttgart 21 gekämpft und gemeinsam mit dem Opfer ein Meditationszentrum betrieben. Gleichzeitig sei er vermehrt gewalttätig geworden und habe dann sogar einen Mord verübt. Die Zeitung stelle diese beiden widersprüchlichen Persönlichkeiten des Betroffenen dar. Für eine Interpretation, dass es sich bei der Stuttgart-21-Bewegung um eine gewalttätige Gruppierung handele, ließen die Veröffentlichungen keinen Raum. Die Berichterstattung sei auch nicht vorverurteilend. Die Polizei sei bereits vor dem Erscheinen des ersten Berichtes aufgrund der gefundenen Blutmenge und dem Spurenbild am Tatort davon überzeugt gewesen, dass die Frau tot sei und ihr Freund sie getötet habe. Persönlichkeitsrechte seien – so die Rechtsabteilung – ebenfalls nicht verletzt worden. Die Veröffentlichung der abgekürzten Namen und der Fotos sei nicht zu beanstanden. Nach der Frau sei öffentlich gefahndet worden. Das wäre auch im Fall des Mannes geschehen, doch sei dessen Leiche tags darauf gefunden worden. Die Zeitung habe über einen Fall schwerster Kriminalität berichtet. Dieser berühre die Öffentlichkeit besonders. Aus diesem Grund habe die Abwägung zwischen dem Informationsinteresse und dem Persönlichkeitsrecht der Verstorbenen zugunsten der Presse ausfallen müssen.