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Zeitung zeigt Mann kurz vor dem Sprung

Zwei Fotos mit unangemessener Darstellung eines Suizid-Versuchs

Die Onlineausgabe einer Regionalzeitung berichtet über sechs Stunden Ausnahmezustand, bedingt durch einen Suizid-Versuch über einer Autobahn. Im Beitrag geht es um einen 40-jährigen Mann, der sich von einer Autobahnbrücke in den Tod stürzen will. Polizei und Feuerwehr sind im Großeinsatz. Die Autobahn ist in diesem Bereich gesperrt. Auch der Bahnverkehr ist betroffen. Den Polizeieinsatz illustriert die Zeitung mit 21 Fotos. Zwei Bilder zeigen den Mann, wie er auf der Brüstung steht und mit Rettungskräften spricht. Sein Gesicht ist verpixelt. Mehrere Beschwerdeführer aus dem Leserkreis der Zeitung sehen in der Veröffentlichung eine Verletzung der Ziffern 8 (Persönlichkeitsrechte), Richtlinie 8.5 (Selbsttötung) und 11 (Sensationsberichterstattung, Jugendschutz). Der durch 21 Fotos bedingte Umfang, sowie die Art der Berichterstattung seien sensationell und mit den Persönlichkeitsrechten des Suizidenten nicht vereinbar. Die im Pressekodex geforderte Zurückhaltung bei der Berichterstattung über Selbsttötungen sei von der Zeitung nicht eingehalten worden. Die Fotos zeigten mehrfach den Betroffenen, wie er – sozusagen kurz vor dem Sprung – auf der Brücke stehe. Die Berichterstattung über eine Verkehrsbehinderung hätte ausgereicht, um dem öffentlichen Interesse gerecht zu werden. Der Chefredakteur der Zeitung betont die übliche Zurückhaltung der Redaktion bei der Suizid-Berichterstattung. Nach Eintreffen der Beschwerde habe die Redaktion die kritisierten Bilder sofort entfernt. Der Leiter der berichtenden Lokalredaktion habe das Gespräch mit den Beschwerdeführern gesucht. Diese hätten das Gesprächsangebot jedoch nicht angenommen. Der Chefredakteur rechtfertigt die umfangreiche Berichterstattung mit dem großen öffentlichen Interesse, das wegen der weitgreifenden Verkehrsprobleme bei vielen tausend Menschen geweckt worden sei. Der Verkehr sei in großen Teilen der Stadt zusammengebrochen; kreisende Hubschrauber hätten die Bevölkerung beunruhigt.