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Zeitung macht sich zum Terroristenwerkzeug

Dem Attentäter von Christchurch ein weltweites Forum geboten.

Unter der Überschrift „17 Minuten Mordfeldzug“ berichtet eine Boulevardzeitung online über das Video, dass der rechtsextreme Terrorist von Christchurch (Neuseeland) über soziale Medien verbreitete, unter anderem auf Facebook. Das Video zeigt, wie der Terrorist seine Waffen aus dem Kofferraum seines Autos holt, sich der Moschee nähert und die Waffe auf die Tür richtet. Zu sehen ist, wie der Mann auf der Straße bzw. aus dem Autofenster schießt, 50 Menschen tötet und viele weitere verletzt. Auch seine Festnahme wird gezeigt. Der beigefügte Artikel schildert im Detail den Tathergang, zeigt ein Selfie des Täters und weitere Fotos aus dem Video. Auch sind Szenen aus dem Innern der Moschee zu sehen. 122 Leser der Zeitung bzw. Nutzer des Online-Auftritts wenden sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Die weitaus meisten von ihnen wollen geprüft wissen, ob die Veröffentlichung der Videoszenen gegen die Ziffer 11 des Pressekodex verstößt. Darin geht es um Sensationsberichterstattung/Jugendschutz. Richtlinie 11.2 regelt die Berichterstattung über Gewalttaten. Der Attentäter von Christchurch habe sein terroristisches Ziel nicht nur mit Waffen, sondern auch über die Verbreitung seiner Tat in den Medien verfolgt. Die Zeitung mache sich durch die Veröffentlichung der Videomitschnitte zu seinem Werkzeug. Einige Beschwerdeführer sehen auch den Jugendschutz gefährdet und vermuten, dass die Berichterstattung Menschen zur Nachahmung der Terrorattacke animieren könnte. Der Chefredakteur der Zeitung weist die Vorwürfe zurück. Die Redaktion vertrete die Auffassung, dass sie gezeigt habe, was geschehen ist. Bei Ereignissen im öffentlichen Raum habe die Öffentlichkeit ein besonderes Interesse daran, von den Medien umfassend informiert zu werden. Die Redaktion habe Auszüge aus dem Täter–Video gezeigt, aber erkennbar nur eine nachträglich geschnittene und redaktionell eingeordnete Version. Der Chefredakteur: Es wäre journalistisch unprofessionell und moralisch falsch gewesen, komplett auf das Mord-Video von Christchurch zu verzichten. Nur ein einordnender Journalismus könne aus Propaganda ein Dokument machen, das das Leid der Opfer in dem Mittelpunkt stellt. Den Vorwurf der Sensationsberichterstattung vermag der Chefredakteur nicht nachvollziehen. Richtlinie 11.1 des Kodex erlaube ausdrücklich die Berichterstattung bei solchen Sachverhalten, die von öffentlichem Interesse sind, sofern das Informationsinteresse der Öffentlichkeit die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen überwiege. Das sei hier der Fall.