Staatsanwältin im Fokus der Kritik
Zeitung tadelt Rechts-„Deal“ im Fall eines Kinderschänders
„Schämen Sie sich nicht, Frau Staatsanwältin?“ titelt die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung. Thema des Berichts ist die Bewährungsstrafe für einen Kinderschänder. Die zuständige Staatsanwältin wird abgebildet und ihr voller Name genannt. Die Zeitung stellt die Frage, ob sie sich für einen rechtlichen „Deal“ mit dem Anwalt des mutmaßlichen Täters nicht schäme. Im Bericht heißt es, dass die Staatsanwältin im Einverständnis mit der Richterin den mutmaßlichen Kinderschänder laufen ließ. Die Angegriffene ist in diesem Fall Beschwerdeführerin. Sie sieht sich unzulässig an den Pranger gestellt. Foto und voller Name verletzten ihre Persönlichkeitsrechte. Die Berichterstattung sei zudem ehrverletzend. Die Rechtsabteilung des Verlages weist darauf hin, dass die Staatsanwältin sich im Prozess gegen den Kinderschänder für eine Bewährungsstrafe eingesetzt habe. Der Mann - er sammelte Kinderpornos – habe ein vierjähriges Mädchen aus der Nachbarschaft missbraucht. Bereits einen Tag vor der kritisierten Berichterstattung habe die Zeitung über die Freilassung des mutmaßlichen Täters unter der Überschrift „Kinderschänder macht Deal mit Richterin“ berichtet. Am folgenden Tag habe das Blatt die in einer derartigen Konstellation nahe liegende Frage gestellt „Schämen Sie sich nicht, Frau Staatsanwältin?“. Die Rechtsabteilung weist den Vorwurf, die Zeitung habe die Menschenwürde der Staatsanwältin verletzt, zurück. Bei der Veröffentlichung handele es sich um eine zulässige Justizkritik. Sie zitiert das Bundesverfassungsgericht. Danach müsse sich ein Amtsträger auch in anklagender und personalisierter Weise Kritik gefallen lassen. Die geübte Kritik sei mit Blick auf den begangenen Kindesmissbrauch alles andere als unangemessen. Es sei auch Aufgabe der Presse, Fehlentwicklungen im Bereich der Rechtsprechung drastisch zu kritisieren. Die Redaktion halte die Entscheidung von Richterin und Staatsanwältin für falsch. Diese Bewertung sei eine zulässige Meinungsäußerung und von der Meinungsfreiheit gedeckt. Die Zeitung wollte der Staatsanwältin die Möglichkeit geben, im Gespräch mit der Redaktion zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. In letzter Minute habe der Dienstherr jedoch die Genehmigung für ein Gespräch mit der Presse verweigert. (2011)