Einen Lebenslauf fahrlässig gekürzt
Interviewpartner hätte umfassender vorgestellt werden müssen
Eine Regionalzeitung interviewt zum Thema „Russland und Ukraine“ einen von ihr so genannten Osteuropa-Experten. Dieser wird am Ende des Beitrages als Osteuropa-Historiker, Politologe und Publizist vorgestellt. Weiter heißt es über ihn, er sei einer der namhaftesten Russland-Experten und habe mehrere Bücher über das Land geschrieben. Außerdem arbeite er als Forschungsdirektor des deutsch-russischen Forums. Ein Leser der Zeitung weist darauf hin, dass der als „Osteuropa-Experte“ bezeichnete Mann auch „Senior Advisor Russia“ bei der Wintershall AG sei, einer großen deutschen Energiefirma, die eng mit dem russischen Energie-Riesen Gazprom zusammenarbeite. Beide Unternehmen hätten für Mitte 2014 geplant, dass Gazprom komplett das bislang gemeinsam betriebene Erdgashandels- und Speichergeschäft übernehme. Gazprom würde dadurch 20 Prozent der deutschen Gas-Speicherkapazität erwerben. Dieses Geschäft könne durch eine negative Einschätzung des Kremls in der Öffentlichkeit in Deutschland sowie durch eventuelle Sanktionen in Gefahr geraten. Aus Gründen der Transparenz hätte daher auf die Tätigkeit des Experten bei der Wintershall AG hingewiesen werden müssen. Der Chefredakteur der Zeitung hält es für illusorisch und weltfremd, durch intensivste Recherche im Vorfeld eines Interviews die Vita des Gesprächspartners komplett zu ergründen. Im vorliegenden Fall habe es sich um einen Wissenschaftler gehandelt, den man getrost als Russland- und Osteuropa-Experten bezeichnen dürfe. Der Chefredakteur räumt jedoch ein, dass die Angaben in diesem Interview zur Person zu knapp geraten seien. Der Autor des Interviews habe die Vita des Gesprächspartners schlichtweg fahrlässig gekürzt. Er sei dafür gerügt worden.