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Menschen in Grenzsituationen gezeigt

Bilder vom Boston-Marathon-Anschlag: Pressekodex nicht verletzt

Die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung berichtet über die Bombenanschläge während des Boston-Marathons 2013. Die Überschrift lautet: „Jetzt spricht der tapfere Marathon-Opi (78)“. Im Mittelpunkt des Beitrages steht das persönliche Schicksal von Bill Iffrig, einem 78-jährigen Läufer. Es gibt Bilder von dem Moment, in dem eine der Bomben explodiert und der Mann von der Druckwelle zu Boden gerissen wird. Zum Beitrag gestellt ist eine 21-teilige Fotostrecke, die unter der Überschrift „Explosionen erschüttern Boston-Marathon“ die Auswirkungen des schrecklichen Geschehens dokumentieren. Zu sehen sind chaotische Szenen unmittelbar nach dem Anschlag und die anschließenden Rettungsaktionen. Die Fotostrecke enthält auch Aufnahmen, die zeigen, wie einzelne Opfer im Rollstuhl sitzend oder auf einer Trage liegend abtransportiert werden. Ein Leser der Zeitung kritisiert die Fotostrecke. Die gezeigten Bilder dokumentierten das Geschehen in aller Deutlichkeit. Die Zeitung nehme keine Rücksicht darauf, dass Bilder von blutverschmierten und verletzten Menschen gezeigt würden. Diese Bilder seien für Kinder und Jugendliche im Internet frei zugänglich. Derart sensationelle Fotos dürften nach seiner – des Beschwerdeführers – Meinung nicht so zur Schau gestellt werden. Die Rechtsabteilung des Verlages spricht vom schwersten Attentat in den USA seit den Anschlägen vom 11. September 2001. Es sei gut nachvollziehbar, dass bei einem so sensiblen Thema, welches mit Trauer, Wut und Unverständnis belegt sei, Kritik an der Berichterstattung aufkomme. Die Redaktion habe sich vor der Veröffentlichung gewissenhaft mit der Frage befasst, ob die Bilder presseethisch zu beanstanden seien. Das Geschehen sei von besonderem öffentlichen Interesse und herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung. Die Presse habe in einem solchen Fall eine umfassende Informations- und Chronistenpflicht. Die Berichterstattung über ein so schreckliches Ereignis bedeute für den Journalisten immer wieder eine Gratwanderung zwischen zurückhaltender, gleichzeitig jedoch vollständiger und ungefilterter Darstellung des zeitgeschichtlichen Moments. Die Redaktion habe sich bewusst dafür entschieden, keine Fotos von schwerverletzten oder mit dem Tod ringenden Menschen zu zeigen.