Opfer ging selbst an die Öffentlichkeit
Dennoch: Grenze zur Sensationsberichterstattung überschritten
In der Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung erscheint ein Video unter der Überschrift „Schon wieder! – Brutaler Angriff auf Berliner in U-Bahnhof“. Es geht um eine Attacke auf einen jungen Mann im U-Bahnhof Berlin-Friedrichstraße. Auf dem Video ist zu sehen, wie ein Angreifer den Mann mit einer Flasche attackiert und dann den am Boden Liegenden mit Tritten an den Kopf malträtiert. Im gesprochenen Kommentar heißt es: „Nachdem diese Aufnahmen der Polizei veröffentlicht wurden, stellte sich der Täter“. Der Beschwerdeführer, ein Nutzer des Internet-Auftritts, kritisiert das Video, weil es rohe Gewalt zeigt. Falls es Ziel gewesen sein sollte, den Täter zu identifizieren und Hinweise an die Polizei zu erbitten, hätte man das Video auch so bearbeiten können, dass der Täter identifizierbar gewesen wäre, das Opfer jedoch nicht. Die Rechtsabteilung des Verlages hält die Vorwürfe für unbegründet und beruft sich darauf, dass die Online-Ausgabe das offizielle Polizeivideo ohne jegliche Veränderung übernommen habe. Das Opfer sei nicht unkenntlich gemacht worden. Dies stelle aber keinen Verstoß gegen seine Persönlichkeitsrechte dar, weil der Mann von sich aus die Öffentlichkeit gesucht habe. Er habe bereits drei Tage nach dem brutalen Überfall vom Krankenhausbett aus Interviews gegeben. Hinzukomme, dass das Opfer an keiner Stelle zu einem bloßen Objekt herabgewürdigt werde. Das Ereignis sei von öffentlichem Interesse. Dass die Video-Wiedergabe eines Überfalls gewalttätig wirke, liege in der Natur der Sache. Es sei das Anliegen der Redaktion gewesen, auf die unbeschreibliche Brutalität hinzuweisen, die der Schläger angewandt habe. Die Würde des Opfers werde nicht automatisch dadurch verletzt, dass es identifizierbar sei. (2011)