Entscheidungen finden

„Angaben wären besser unterblieben“

Boulevardzeitung geht mit der Nennung von Einzelheiten zu weit

„An Justins 8. Geburtstag: Papa bringt Mama um!“ überschreibt die Online-Ausgabe einer regionalen Boulevardzeitung ihren Bericht über ein Tötungsdelikt. Am Geburtstag des gemeinsamen Sohnes sei es zu dem Familiendrama gekommen. Der kleine Junge habe sofort den Polizeinotruf gewählt. Dem Verbrechen vorausgegangen sei ein heftiger Streit zwischen den Eheleuten. Der mutmaßliche Täter stamme aus dem afrikanischen Burundi und habe sein Leben nie in den Griff bekommen. 2004 habe der Mann eine Frau vergewaltigt und habe drei Jahre im Gefängnis gesessen. Während der Haftzeit habe das Paar geheiratet. Schnell habe die Ehe gekriselt. Nachdem der Mann aus der Haft entlassen worden sei, habe er wiederholt seine Frau tätlich angegriffen. Diese habe ihn bei der Polizei angezeigt. Gipfelpunkt der häuslichen Gewalt sei schließlich die oben geschilderte Mordtat gewesen. Noch in der folgenden Nacht habe sich der mutmaßliche Täter der Polizei gestellt. Die Zeitung teilt mit, dass sich der kleine Junge inzwischen in der Obhut seiner Großeltern befinde. Im Artikel wird die genaue Adresse der Wohnung angegeben, in der die Mutter des Jungen getötet wurde. Vater, Mutter und Sohn werden mit Vornamen, abgekürzten Nachnamen und ihrem Alter benannt. Dem Artikel ist ein verfremdetes Foto des mutmaßlichen Täters beigestellt. Ein weiteres Bild zeigt das Wohnhaus der Familie. Eine Nutzerin des Online-Auftritts sieht in dem Beitrag einen Verstoß gegen die Ziffer 8 des Pressekodex, Richtlinien 8.1 und 8.2, weil der Vorname und das Alter des Kindes genannt werden. Sie kritisiert auch die Nennung der Adresse. Der Junge werde im Zusammenhang mit seinem Geburtstag zum Mittelpunkt einer reißerischen Berichterstattung gemacht. Auch der aktuelle Aufenthaltsort des Kindes werde in dem Beitrag erkennbar. Für die Online-Ausgabe nimmt der Chefredakteur der Boulevardzeitung Stellung. Er kann die Argumentation der Beschwerdeführerin insoweit nachvollziehen, als die Nennung des Vornamens des Jungen und die Angabe der genauen Adresse besser unterblieben wären. Hier hätten der Opferschutz und die Minderjährigkeit des Kindes berücksichtigt werden müssen. Eine Berichterstattung wäre sicher auch ohne diese Einzelheiten ausgekommen. Da dem näheren sozialen Umfeld des Kindes die Tragödie nicht verborgen bleiben konnte, gehe er – der Chefredakteur – nicht davon aus, dass der Junge durch die wiedergegebenen Details für einen erweiterten Personenkreis identifizierbar geworden sei. Der Fall sei mit den Redaktionsmitgliedern im Sinne einer verstärkten Sensibilisierung eingehend besprochen worden. Es sei im Übrigen – so der Chefredakteur abschließend - aus Sicht der Zeitung nicht zu beanstanden, dass die Redaktion das Schicksal des Kindes in den Mittelpunkt der Betrachtungen gestellt habe.