Straftäter als „Sex-Gangster“ bezeichnet
Verurteilter nach 25 Jahren aus der Sicherungsverwahrung entlassen
„Wer beschützt uns vor diesem Mann?“ titelt die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung über einen aus der Sicherungsverwahrung entlassenen Sexualstraftäter, dessen verfremdetes Foto sie abdruckt. Er sei nach 25 Jahren Haft aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) freigelassen worden. Bis vor kurzem habe der „Sex-Gangster“ in einem von der Zeitung genannten Ort gewohnt. Nach Protesten von Anwohnern habe er seinen Wohnsitz in eine entfernt liegende Stadt verlegt. Dort lebe er jetzt in einem Wohngebiet, in dem viele Familien ansässig seien. Auch diesen Aufenthaltsort des Entlassenen nennt die Zeitung. Ein Nutzer des Online-Portals vermutet Verstöße gegen die Ziffern 8 (Persönlichkeitsrechte) und 11 (Sensationsberichterstattung) des Pressekodex. Durch die Nennung seines Aufenthaltsortes und die Veröffentlichung des Fotos werde der Betroffene in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt. Die Bezeichnung als „Sex-Gangster“ hält der Beschwerdeführer für unangemessen sensationell. Die Rechtsabteilung des Verlags hält die Beschwerde für unbegründet. Die beanstandeten Beiträge stünden im Zusammenhang mit der Diskussion um die nachträgliche Sicherungsverwahrung, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Jahr 2009 für unzulässig erklärt habe. Die Entlassung des betroffenen Sexualstraftäters als Folge dieses Urteils habe ein bundesweites Medienecho hervorgerufen. Keiner der Beiträge lasse die Identifizierung des Aufenthaltsortes des Mannes zu. Die Größe des genannten Stadtteils ermögliche eine konkrete Wohnortbestimmung nicht, auch nicht die Abbildung der Fassade des Hauses, in dem der Entlassene mittlerweile lebe. Für die Bewohner des Stadtteils seien die Beiträge besonders interessant gewesen, da der Mann anfangs noch nicht polizeilich überwacht worden sei. Die Bezeichnung als „Sex-Gangster“ sei presseethisch nicht zu beanstanden und verletze nicht die Ziffer 11 des Pressekodex Sie sei ein verkürztes Synonym für den juristisch-technischen Begriff „Sexualstraftäter“ und zur Bezeichnung des wegen mehrfacher Vergewaltigung verurteilten Straftäters angemessen.