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„…sollte mich bei Uri Geller bewerben“

Boulevardzeitung zitiert aus Briefen eines verurteilten Mörders

Die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung berichtet über Briefe, die ein zu lebenslanger Haft verurteilter Mörder aus der U-Haft geschrieben hat. Der Mann verbüßt seine Strafe wegen des Mordes an seinen acht und elf Jahre alten Nichten. Das Gericht hat die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Die Zeitung zitiert aus vier Briefen, die der Täter an seine frühere Ehefrau geschrieben hat. Er verweist darin auf einen unbekannten Täter und spricht von seinem Problem, die Existenz des wahren Mörders nachzuweisen. Der Bericht beschreibt den Versuch des Verurteilten, die Beweisaufnahme in Frage zu stellen und zitiert ihn mit den Worten „Ich bin in der Lage, mit einem 12 cm langen Messer 17 cm tiefe Wunden zu machen. Vielleicht sollte ich mich bei der Uri Geller Show bewerben.“ Der Artikel enthält Bilder des Mörders, der beiden Mordopfer und der ehemaligen Ehefrau des Täters. Deren Vorname wird ebenso genannt wie der Tatort, ein Dorf in der Nähe einer Großstadt. Die Nennung dieser Einzelheiten veranlasst einen Leser der Zeitung zur Beschwerde beim Presserat. Dadurch würden Persönlichkeitsrechte der Beteiligten verletzt. Bei den Zitaten aus den Briefen handele es sich um Verbrecher-Memoiren im Sinne von Richtlinie 11.5 des Pressekodex. Ihre Veröffentlichung sei danach unzulässig. Die Rechtsabteilung der Zeitung weist die Vorwürfe zurück. Es sei abwegig, von einer Persönlichkeitsrechtsverletzung des Täters zu sprechen, da dieser die Veröffentlichung seiner Briefe gewollt habe. Sie zitiert aus einem der Briefe, in denen es heißt: „Deshalb ist es mein Wunsch, dass Du mit all dem, was ich Dir schreiben werde, zur Presse gehst, um die Fragen zu stellen, die ich nicht mehr stellen kann.“ Auch die Veröffentlichung des Täterfotos hält die Zeitung für zulässig, nachdem die Polizei nach den Morden auf Plakaten mit dem Bild des damals verdächtigen Mannes nach Zeugen gesucht habe. Die Taten seien ein Ausnahmebeispiel von Brutalität in einem bürgerlichen Milieu mit Beteiligten aus der Mitte der Gesellschaft. Auch die Persönlichkeitsrechte der Ehefrau seien nicht verletzt worden, da sie ausdrücklich in die Veröffentlichung ihres Fotos eingewilligt habe. An den veröffentlichten Informationen habe die Öffentlichkeit ein hohes Interesse. Schließlich liege auch kein Verstoß gegen Richtlinie 11.5 vor. In den veröffentlichten Passagen der Briefe schildere der Täter weder Tatdetails noch belaste er seine Opfer. Er behaupte, dass er die Morde nicht begangen habe. Dabei relativiere er jedoch weder die Taten noch versuche er, sie zu rechtfertigen. (2012)