Entscheidungen finden

Bericht über Trauerfeier für vier Kinder

Abdruck zulässig: Porträt-Fotos der Opfer waren in der Kirche aufgestellt

Ein Vater ersticht seine vier Kinder. Die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung berichtet unter der Überschrift „Ermordete Geschwister heimlich beerdigt“. In der Kirche, dem Ort der Trauerfeier, waren die Bilder der Getöteten aufgestellt worden. Mit diesen Fotos illustriert die Zeitung ihren Beitrag. Ein Nutzer des Onlineportals sieht die Ziffern 8 (Persönlichkeitsrecht) und 11 (Sensationsberichterstattung) des Pressekodex verletzt. Nach seiner Meinung hätte die Redaktion die Fotos anonymisieren müssen. Es handele sich um Sensationsberichterstattung, da für eine informierende Berichterstattung die unverfremdete Abbildung der Kinder nicht nötig gewesen wäre. Die Rechtsabteilung des Verlages rechtfertigt den Abdruck der Fotos mit dem Hinweis auf deren Veröffentlichung in Nachrichtenagenturen und anderen Medien. Die besonderen Umstände des vierfachen Mordes erlaubten es, die Fotos der Kinder zu veröffentlichen. Die Tat, verübt vom eigenen Vater, habe ein sehr starkes Informationsinteresse geweckt, welches sich nicht allein auf den Tathergang beschränke. Die Öffentlichkeit habe ein großes Interesse an der Identität der Opfer. Für den Trauergottesdienst mit etwa 550 anteilnehmenden Personen seien die Fotos der Kinder in der Kirche aufgestellt worden, um den Opfern ein Gesicht zu geben. Die Mutter der ermordeten Kinder habe die Trauergäste um farbige Kleidung beim Gottesdienst gebeten, damit sich keine Ohnmachtsstimmung breit mache. Die „besondere“ Atmosphäre in der Kirche und der Wille, die Kinder „fröhlich“ in Erinnerung zu behalten, könne dem Leser nur mit Hilfe der Porträts verdeutlicht werden. Die besonderen Begleitumstände im Sinne der Ziffer 8, Richtlinie 8.1, des Pressekodex seien somit erfüllt. Die Rechtsabteilung des Verlages weist auch den Vorwurf eines Verstoßes gegen Ziffer 11 zurück. Die Darstellung der Kinder sei nicht unangemessen sensationell. Mittelpunkt des Trauergottesdienstes seien die Porträts der Kinder gewesen. Die Veröffentlichung habe dazu gedient, die Öffentlichkeit über die besondere Art von Andacht und Würdigung zu unterrichten. (0372/12/1)