„Eine Familie in Deutschland“
Tatverdächtiger sieht sich durch Bericht an den Pranger gestellt
Sexueller Missbrauch in Familien ist das Thema eines Beitrages, der in einer überregionalen Zeitung unter der Überschrift „Eine Familie in Deutschland“ erscheint. Beleuchtet wird der Fall eines Mannes, der seine Kinder und Stiefkinder jahrelang sexuell missbraucht haben soll. Die Geschichte wird aus der Perspektive seiner inzwischen erwachsenen Tochter erzählt. Deren Name wurde von der Redaktion geändert. Vom Tatverdächtigen wird berichtet, er sei eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens und habe sich als Aktivist für Menschenrechte und Diktaturopfer der DDR engagiert. Bei Mauergedenktagen sehe man ihn gemeinsam mit Politikern und kirchlichen Würdenträgern, die an die Verbrechen von einst erinnerten. Der Betroffene ist in diesem Fall Beschwerdeführer. Er sieht seine Persönlichkeitsrechte verletzt. Die Opfer seien korrekterweise anonymisiert worden. Er hingegen werde als Täter bezeichnet und nicht nur mit vollem Vornamen, sondern auch mit richtigem Kürzel des Nachnamens dargestellt. Durch die detaillierte Schilderung seines ehrenamtlichen Engagements sei er identifizierbar und damit einer öffentlichen Anprangerung ausgesetzt. Er wirft der Redaktion zudem eine tendenziöse Berichterstattung vor. Er habe keine Möglichkeit für eine eigene Darstellung erhalten. Entlastende Argumente würden nicht veröffentlicht, sondern nur Bestätigungen für die Vorwürfe. Der Missbrauch werde ohne Belege suggeriert. Der Chefredakteur der Zeitung weist auf einjährige Recherchen der Autorin des kritisierten Beitrages hin. Die Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs seien gerichtlich bestätigt. Er legt eine eidesstattliche Versicherung der Tochter über den Missbrauch vor, die sie vor dem Amtsgericht abgegeben habe. Die Redaktion habe schildern wollen, dass ein Mann, der sich an seiner Tochter vergangen habe und in der Öffentlichkeit als Anwalt von Maueropfern auftrete, unbehelligt bleibe, weil ihm das damals noch gültige Gesetz zu Hilfe gekommen sei. (2010)