Am Anfang islamistische Täter vermutet
Das Massaker in Norwegen: Medien spekulierten über Hintergründe
Die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung veröffentlicht einen Artikel über das Massaker von Norwegen, bei dem im Juli 2011 77 Menschen umgebracht worden waren. Der Text wurde am Tattag gegen 20 Uhr online gestellt. Sein Autor versuchte, auf die Frage eine Antwort zu geben, wer hinter dem Anschlag stecken könnte. Zwar habe es in Norwegen noch nie einen Anschlag gegeben, doch sei es nicht das erste Mal, dass in dem Land ein Bombenanschlag geplant worden sei. Der Journalist bezieht in seine Überlegungen auch ein, dass es sich um einen Anschlag mit islamistischem Hintergrund handeln könnte. Er begründet diesen Aspekt seiner Überlegungen mit der NATO-Mitgliedschaft Norwegens und dessen Beteiligung an den Militäroperationen in Libyen und Afghanistan. Es folgt eine Aufzählung der spektakulärsten Fälle von Terror in Skandinavien. Ein Nutzer der Internet-Ausgabe der Zeitung sieht mehrere Verstöße gegen presseethische Grundsätze. Er wendet sich dagegen, dass Muslime als mögliche Täter des Attentats hingestellt würden. Dies sei eine als Tatsache hingestellte Vermutung und entspreche nicht dem Grundsatz sorgfältiger Recherche. Der Autor diskriminiere unzulässigerweise Muslime, was der Beschwerdeführer für eine nicht hinnehmbare Vorverurteilung hält. Die Rechtsabteilung der Zeitung weist darauf hin, dass Muslime in dem Bericht nicht allein als mögliche Täter angeführt worden seien. Zum Zeitpunkt der Berichterstattung habe die Vermutung vorgeherrscht, dass es sich um einen Anschlag mit islamistischem Hintergrund gehandelt haben könnte. Als der kritisierte Artikel veröffentlicht worden sei, sei der Tathintergrund noch völlig unklar gewesen. In allen Medien sei über die möglichen Täter – insbesondere über eine Verbindung zu Al-Qaida – spekuliert worden. Ein Verstoß gegen das Gebot der journalistischen Sorgfaltspflicht liege nicht vor, da der Bericht den zum Zeitpunkt der Veröffentlichung gegebenen Kenntnisstand korrekt wiedergebe. Auch habe die Zeitung nicht gegen das Diskriminierungsverbot nach Ziffer 12 des Pressekodex verstoßen, da der erforderliche Sachbezug für die Nennung der Religion im vorliegenden Fall gerechtfertigt sei. Die zum Vergleich herangezogenen Taten seien islamistisch motiviert gewesen, was vor allem für die Anschläge von New York und Washington zutreffe. Auch Ziffer 13 (Vorverurteilung) könne in diesem Fall nicht angewendet werden, da der Autor sich an die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung gehalten habe. Die gesamte Berichterstattung mache deutlich, dass keineswegs Muslime als allein denkbare Täter dargestellt worden seien. (2011)