„Die Klinge steckt in seinem Bauch“
Zeitung beruft sich auf eine vollumfängliche Informationspflicht
Vor dem Hamburger Hauptbahnhof wird ein Mann erstochen, der mutmaßliche Täter wenig später festgenommen. Eine Boulevardzeitung berichtet gedruckt und online und illustriert ihren Artikel mit mehreren Fotos. Eines zeigt das am Boden liegende Opfer. Bildtext: „17.18 Uhr: Das blutüberströmte Opfer sitzt am Boden, die Klinge steckt in seinem Bauch. Direkt hinter ihm der Messerstecher (blaue Jacke). Geschockte Passanten beobachten die Szene, darunter auch Kinder.“ Im Beitrag wird weiter mitgeteilt, dass die Zeitung das Foto-Protokoll eines Messer-Mordes zeige, mitten in der Großstadt und am helllichten Tag. Ein freier Fotograf, der den Vorgang festgehalten hat, wird mit den Worten zitiert: „Ich mache nur die Fotos – alles andere ist Sache der Redaktionen.“ Ein Beschwerdeführer ist der Meinung, dass die Veröffentlichung Ziffer 11 (Sensationsberichterstattung, Jugendschutz) verletze. An der Darstellung eines sterbenden Menschen bestehe kein überwiegendes berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit. Mehrere andere Beschwerdeführer sehen Verstöße gegen mehrere presseethische Grundsätze. Der Fall werde reißerisch dargestellt. Das Opfer sei schlecht verpixelt und werde sterbend in den Mittelpunkt eines Bildes gerückt. Zudem zeige die Zeitung den mutmaßlichen Täter, umstehende Personen und Polizeibeamte auf unverfremdeten Bildern. Jugendliche und Kinder könnten – so die Beschwerdeführer – problemlos auf diese Inhalte zugreifen. Für die Angehörigen des Opfers müsse dieser Anblick traumatisch sein. Der Leser werde in diesem Fall voyeuristisch in die Tat hineingezogen. Ein Beschwerdeführer schreibt, er schäme sich als angehender Journalist für die Art, wie die Zeitung mit diesem Ereignis umgegangen sei. Nach Meinung der Rechtsabteilung des Verlages sei es verständlich, wenn an der Art der Berichterstattung wie im vorliegenden Fall Kritik geübt werde. Sie beruft sich aber auf ein überwiegendes öffentliches Interesse und eine vollumfängliche Informationspflicht. Die Rechtsvertretung stellt fest, dass aus ihrer Sicht der Verletzte nicht herabgewürdigt worden sei. Die Zeitung habe in dieser Weise berichten dürfen, weil sich die Tat öffentlich ereignet habe und der mutmaßliche Täter öffentlich verfolgt und schließlich festgenommen worden sei. Eine Zeitung aus dem gleichen Verlag habe statt der Fotos eine Skizze vom Tathergang abgedruckt, weil die Redaktion nicht bereit gewesen sei, das für die Fotos übliche Honorar zu zahlen.