Formulierung letztlich eine Geschmacksfrage
Datensammlungen der Finanzämter mit DDR-MfS verglichen
Kontrollieren Sie Ihr Finanzamt“ – so überschreibt eine Zeitschrift einen Beitrag zur Einführung der vorausgefüllten Steuererklärung. Dieser beginnt so: „Die Finanzämter dürften heute mehr über ihre Schäfchen wissen als das frühere Ministerium für Staatssicherheit über den durchschnittlichen DDR-Bürger.“ Ein Leser der Zeitschrift sieht gleich mehrere Ziffern des Pressekodex verletzt. Der Vergleich der Finanzämter mit der einstigen Stasi sei bei aller journalistischen Freiheit unangemessen. Er erwecke den Anschein, als handelten die Finanzämter rechtswidrig. Die Daten, die die Ämter sammelten, schreibe jedoch der Gesetzgeber vor. Die Formulierung am Beginn des Beitrages ist nach Ansicht des Beschwerdeführers auch deshalb unsachgemäß, weil Finanzämter und MfS keine inhaltlich vergleichbaren Einrichtungen seien bzw. gewesen seien. Auch – so der Beschwerdeführer weiter – sei der Vergleich eine Verhöhnung der Stasi-Opfer. Schließlich beleidige er die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Finanzämtern. Der Chefredakteur der Zeitschrift nimmt Stellung. Der Journalist im allgemeinen und auch er selbst tendiere dazu, Themen zuzuspitzen, um den Leser für den Text zu interessieren. Diese Technik sei in dem kritisierten Beitrag bewusst gewählt worden. Natürlich habe der Beschwerdeführer Recht, wenn er darauf hinweise, dass das MfS seine Informationen meist mit kriminellen Methoden gewonnen habe. Das sei bei den Finanzämtern selbstverständlich nicht der Fall. Der Chefredakteur vertritt die Meinung, dass die Finanzverwaltung heute über Daten des Durchschnittsbürgers verfüge, die dem MfS allein aufgrund der fehlenden technischen Grundlagen nicht zur Verfügung gestanden hätten. Differenziere man zwischen den beiden Themen „Repression“ und „Datenmenge“, sei der im Konjunktiv angestellte Vergleich durchaus zulässig. Der Autor des Beitrages zeige auf, wie der Steuerbürger die Datenmassen, über die die Finanzverwaltung verfüge, kontrollieren und nutzen könne. Spätestens an dieser Stelle werde deutlich, dass der kritisierte Beitrag alles andere als eine Banalisierung oder Verharmlosung der Tätigkeit des früheren MfS zum Inhalt habe. (2014)