Eins-zu-Eins-Wiedergabe suggeriert
Zitate in Interview-Überschriften, die durch den Text nicht gedeckt sind
Eine überregionale Zeitung veröffentlicht mehrere Interviews, denen die Redaktion jeweils als Überschrift ein Zitat der Gesprächspartner voranstellt. Ein Leser stellt in seiner Beschwerde an den Presserat fest, dass in keinem der von ihm vorgelegten Interviews das angegebene Zitat tatsächlich so gesagt worden sei. In einigen Fällen seien die jeweiligen Aussagen nicht einmal durch den Text gedeckt. Die Zitat-Zeichen suggerierten dem Leser jedoch eine Eins-zu-Eins-Wiedergabe einer Äußerung des jeweiligen Gesprächspartners. Die Rechtsabteilung der Zeitung vertritt die Auffassung, dass es sich bei Überschriften aufgrund ihres zusammenfassenden Charakters um teilweise nicht justitiable Aussagen handele. Diesen müsse ein weiterer Deutungsraum zugestanden werden als dem im Text Gesagten. Presserechtlich sei die Angelegenheit geklärt. Auch die presseethischen Vorgaben seien eindeutig. Somit sei die Beschwerde unbegründet. In Ziffer 2 des Pressekodex heiße es, dass zur Veröffentlichung bestimmte Informationen wahrheitsgetreu wiederzugeben seien. In Richtlinie 2.4 sei festgehalten, dass ein Wortlautinterview auf jeden Fall journalistisch korrekt sei, wenn es das Gesagte richtig wiedergebe. Daher irre der Beschwerdeführer, wenn er verlange, dass mit Anführungszeichen gekennzeichnete Aussagen wortwörtlich in dem Interview wiederzufinden sein müssten. Richtlinie 2.4 verlange weder „Wortwörtlichkeit“ noch „Authentizität“ ausdrücklich. Wissenschaftliches Zitieren sei „außen vor“. Es sei dort vielmehr die Rede von „Sinn“ und „wahrheitsgetreu“. Bei der Setzung von Anführungszeichen gehe es vor allem um das Signal, dass der interviewende Journalist „dabei war“ und dass das Zitierte in der Überschrift vom Interviewten stamme.