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Angebliche Aussage zu getöteten Palästinensern: “Hunderttausende“

„Erdogans Machtpolitik wird immer gefährlicher“ lautet die Überschrift eines Beitrages in der Online-Ausgabe einer überregionalen Tageszeitung. Es geht um umstrittene Aussagen des türkischen Ministerpräsidenten zur Außenpolitik seines Landes, speziell zum Verhältnis zu Israel. Die Zeitung schreibt: „In einem Interview mit dem US-Fernsehsender CNN stellte Erdogan am Wochenende sogar Angaben über israelische Todesopfer durch palästinensische Terrorangriffe in Zweifel. Unbestreitbar sei dagegen, dass Israel ´Hunderttausende Palästinenser´ ermordet habe. Mehr noch, Erdogan begibt sich inzwischen in die Nähe von Relativierern des Holocaust wie dem iranischen Staatschef Ahmadinedschad, wenn er Israel unterstellt, die NS-Judenvernichtung als ´Ausrede´ zu benutzen, um sich als Opfer darzustellen. Ein Leser der Zeitung lastet der Zeitung eine falsche Übersetzung der Rede Erdogans an und sieht die journalistische Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 des Pressekodex verletzt. Die korrekte Übersetzung sei ´Zehntausende Palästinenser´. Dies sei von CNN richtiggestellt worden, von der Zeitung jedoch nicht. Die Redaktion gebe ein falsches Bild des türkischen Ministerpräsidenten wieder. Zudem sei es ungeheuerlich, Erdogan in die Nähe Ahmadinedschads zu rücken. Erdogan habe niemals den Holocaust geleugnet. Quellen und Zitate für diese Behauptung seien in dem kritisierten Beitrag nicht zu finden. Die Chefredaktion der Zeitung weist den Vorwurf zurück, den Pressekodex verletzt zu haben. Es handele sich um einen Meinungsbeitrag, in dem die Politik eines Regierungschefs kritisiert werde, was zu den selbstverständlichen Aufgaben der Presse gehöre. Die Kritik beziehe sich ausschließlich auf Erdogans politische Haltung und beinhalte keine Herabwürdigung seiner Person. An keiner Stelle des Beitrages werde behauptet, der türkische Regierungschef habe den Holocaust geleugnet. Die Richtigstellung des Übersetzungsfehlers von CNN habe dem Autor zum Zeitpunkt der Berichterstattung noch nicht vorgelegen. Der Nachrichtensender CNN gelte allerdings als vertrauenswürdige Quelle. Deshalb liege auch keine Verletzung der Sorgfaltspflicht vor. (2011)