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Den Tod eines Polizisten „ausgeschlachtet“

Zeitung lässt Zurückhaltung bei Bericht über Selbsttötung vermissen.

Der Freitod eines Polizeibeamten ist Thema in der Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung. Unter der Überschrift „Todesdrama auf Polizeiwache“ berichtet das Blatt, man habe den Beamten, der jahrelang Leiter seiner Dienststelle gewesen sei, blutüberströmt auf der Wache gefunden. Neben ihm habe seine Dienstwaffe gelegen. Die Ermittler gingen von „Selbstmord“ aus. Kollegen hätten einen Abschiedsbrief gefunden. Die Zeitung erwähnt den Dienstgrad, den Vornamen und den abgekürzten Nachnamen sowie das Alter des Verstorbenen. Zudem wird der Name des Dienstortes mitgeteilt, einer Kleinstadt mit etwa 14.000 Einwohnern. Dem Artikel beigestellt ist ein verpixeltes Foto. Ein Leser der Zeitung ist der Ansicht, die Berichterstattung verstoße gegen mehrere Ziffern des Pressekodex. Durch den Artikel werde der Tod des leitenden Polizeibeamten „ausgeschlachtet“. Sein Tod gehöre nicht in die breite Öffentlichkeit. Die Rechtsabteilung des Verlages hält die Beschwerde für unbegründet. Die Redaktion sei sich bewusst, dass die Berichterstattung über Suizide grundsätzlich Zurückhaltung gebiete. So sei in der Redaktion über die Art der Veröffentlichung ausführlich diskutiert worden. In Abwägung der unterschiedlichen Interessen halte die Redaktion die schließlich gewählte Art der Berichterstattung – ausgesprochen zurückhaltend und sachlich neutral – nicht nur für zulässig, sondern mit Blick auf das Informationsinteresse der Öffentlichkeit sogar für geboten. Die Fakten seien gründlich recherchiert worden. Die Aussagen bezögen sich allesamt auf Erkenntnisse der Kriminalpolizei. Die Würde des Toten sei nicht verletzt worden. Die Rechtsvertretung der Zeitung schließt insbesondere eine Verletzung der Richtlinie 8.7 aus. Die gebotene Zurückhaltung bei der Berichterstattung über Selbsttötungen sei durch den sachlich neutralen, zurückhaltenden Stil und den Verzicht auf die Nennung des vollen Namens des Beamten, sowie die Pixelung des Fotos eingehalten worden. Obwohl dem berichtenden Journalisten die Begleitumstände des Todes bekannt gewesen seien, habe er sie bewusst nicht in die Berichterstattung aufgenommen.