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Opfern nicht den Identitätsschutz gewährt

Junger Mann und seine Freundin waren viel zu schnell unterwegs

„Unternehmer-Sohn rast sich und Freundin tot“ – unter dieser Überschrift berichtet eine Boulevardzeitung über den Unfalltod von zwei jungen Menschen. Der Fahrer, 20-jähriger Sohn eines Unternehmers, habe den Wagen gefahren, in dem er und seine 18-jährige Freundin gegen einen Baum geprallt und verbrannt seien. Die Verunglückten werden im Bild gezeigt. Auch das ausgebrannte Auto ist zu sehen. Der Unfall wird im Detail geschildert. Der junge Fahrer habe die Geschwindigkeit geliebt, soll einer seiner Bekannten gesagt haben. Die Zeitung vermutet, dass diese Leidenschaft die beiden jungen Menschen das Leben gekostet habe. Die Eltern des verstorbenen Mädchens lassen sich bei ihrer Presseratsbeschwerde von einem Rechtsanwalt vertreten. Sie sehen seine Persönlichkeitsrechte durch die identifizierende Berichterstattung verletzt. Die Rechtsabteilung des Verlages stellt fest, dieser Unfall belege erneut, dass junge Menschen offensichtlich die Gefahr zu schnellen Fahrens unterschätzten. Dass der Umstand, der junge Mann habe zu schnellem Fahren geneigt, im Text deutlich gemacht werde, habe nichts mit Effekthascherei zu tun. Ziel der Berichterstattung sei es auch, einen Beitrag zur Vermeidung derart tragischer Unfälle zu leisten. Die Veröffentlichung sei durch das Informationsinteresse der Öffentlichkeit gerechtfertigt. Auch der Abdruck des Fotos der jungen Frau sei nicht zu beanstanden, fährt die Rechtsvertretung fort. Sie habe ihr Bild zu Lebzeiten selbst ins Netz gestellt. Der Zeitung könne nicht vorgeworfen werden, dass sie das Bild, das einem Millionenpublikum zugänglich gemacht worden sei, veröffentlicht habe. Die Zeitung argumentiert weiter: Wenn junge Menschen nachhaltig zu defensivem Fahren angehalten werden sollten, sei angesichts der heutigen Reizüberflutung nicht zu beanstanden, wenn auch die jungen Menschen im Bild gezeigt würden, die auf so tragische Weise ihr Leben verloren hätten. (2010)