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Zu kurzer Sex schafft Leidensdruck

Vorgebliche Redaktionsaktion wird von PR-Agenturen gesteuert

Die Onlineausgabe einer Boulevardzeitung widmet sich unter der Überschrift „Wie schnell darf ein Mann kommen?“ Therapiemöglichkeiten bei vorzeitigem Samenerguss. Die Zeitung klärt auf, dass die „Ejaculatio praecox“ eine der häufigsten sexuellen Funktionsstörungen des Mannes sei. Seit einigen Jahren gebe es in Deutschland eine verschreibungspflichtige Pille mit dem Wirkstoff Dapoxetin (Priligy). Das Medikament sei dazu gedacht, den psychischen Leidensdruck durch zu kurzen, unbefriedigenden Sex innerhalb der Beziehung abzubauen. Die Kosten – etwa 13 Euro pro Pille – würden von den Kassen nicht übernommen. Am Ende des Artikels steht dieser Hinweis: „Guten Rat zu allen Fragen zum Frust mit der zu schnellen Lust hatten die Experten an unserem Lesertelefon.“ Dann werden Fragen zum vorzeitigen Samenerguss gestellt und von Medizinern beantwortet. Der Beschwerdeführer ist Mitarbeiter des Lehrstuhls für Wissenschaftsjournalismus an der technischen Universität Dortmund. Er betreut das Projekt „Medien-Doktor“. Dabei begutachten erfahrene Wissenschafts- und Medizinjournalisten anhand eines Kriterienkatalogs medizinjournalistische Beiträge in Print-, TV-, Hörfunk- und Onlinemedien. Der Beschwerdeführer kritisiert, dass in dem Artikel Pressematerial ohne Hinweis auf die Herkunft als redaktionelle Leistung ausgegeben werde. Die Aktion sei nicht von der Redaktion, sondern von einer spezialisierten PR-Agentur durchgeführt worden. Diese wiederum sei von einer anderen Agentur beauftragt worden, die die PR für ein bestimmtes Pharmaunternehmen betreibe. Dieses sei der Hersteller des im Artikel genannten Mittels zur Vermeidung des vorzeitigen Samenergusses. Die PR-Agentur führe nicht nur die Telefonaktion durch. Sie suche auch die Experten aus und verfasse eine Zusammenfassung, die an Redaktionen verschickt werde. Nach Auffassung der Rechtsvertretung des Verlages wahrt die Veröffentlichung die presseethischen Grundsätze. Redakteure hätten die Informationen für den Beitrag sorgfältig recherchiert und zusammengestellt. Dass am Ende des Artikels von „unserem Lesertelefon“ die Rede sei, bedauere die Redaktion. Die Formulierung sei umgehend korrigiert worden. Die Zeitung wendet sich gegen den Vorwurf, die in Ziffer 7 des Pressekodex definierte Forderung, redaktionelle und werbliche Inhalte strikt von einander zu trennen, verletzt zu haben. Bei dem beanstandeten Beitrag handelte es sich weder um bezahlte Werbung noch um eine Eigenanzeige, erst recht nicht um Schleichwerbung.