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„Protokoll ihrer letzten Liebesnacht“

Persönlichkeitsrechte einer möglicherweise kranken Frau verletzt

Die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung berichtet unter der Überschrift „Die letzte Liebesnacht der Nymphomanin“ über den Tod einer Frau, von der berichtet wird, sie sei sexsüchtig gewesen. Die Zeitung schildert „das Protokoll ihrer letzten Liebesnacht“. Der Autor stellt die spekulative Frage, ob „Dauersex – in Zusammenhang mit Alkohol und Drogen“ die Todesursache sein könne. Die Redaktion nennt den Vornamen, den abgekürzten Nachnamen sowie einen Spitznamen, das Alter und druckt ein Foto der Frau ab. Der Beschwerdeführer, ein Wissenschaftler vom Institut für Kultur- und Sozialanthropologie einer Universität, sieht presseethische Grundsätze verletzt. Die Zeitung verletze massiv Opfer- und Persönlichkeitsrechte. Es bestehe kein öffentliches Interesse an der Veröffentlichung des Fotos der kranken Frau, die Schutz und Hilfe gebraucht hätte. Die Rechtsabteilung der Zeitung teilt mit, die Frau habe in der Vergangenheit häufig mit ihrer Nymphomanie für Aufsehen gesorgt und sei bundesweit Thema in den Medien gewesen. Erstmals sei sie aufgefallen, als sie einen ihrer Liebhaber achtmal zum Liebesakt getrieben habe, bis dieser auf den Balkon geflohen sei und die Polizei zu Hilfe gerufen habe. Über diesen Vorfall hätten viele Medien bundesweit berichtet. Die Rechtsabteilung berichtet in ihrer Stellungnahme über ein weiteres Vorkommnis. Die Frau habe einen Mann aus Afrika anderthalb Tage lang eingesperrt, ihm das Handy abgenommen und ihn zum Geschlechtsverkehr gezwungen. Dem Mann gelang die Flucht. Er rief die Polizei. Als die Beamten die Frau aufsuchen wollten, öffnete diese nackt die Tür und bot ihnen Sex an. Auch nach diesem Vorfall habe die Zeitung kein Foto von der Frau veröffentlicht, um ihre Persönlichkeitsrechte zu schützen. Der Abdruck sei erst nach ihrem Tod erfolgt. Auch posthum könne von einer Persönlichkeitsverletzung keine Rede sein. Die übergroße Sonnenbrille, die die Frau auf dem Foto trage, verhindere eine Identifizierung durch Außenstehende. Auch im Text habe die Redaktion darauf Rücksicht genommen, dass es sich bei dem Konsum von Rauschmitteln, aber auch bei der Sexsucht, um eine Krankheit handeln könne. Entsprechend zurückhaltend sei berichtet worden.