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Ein „Paradies“, das keines ist

Boulevardzeitung: Die Überschrift verdichtet eine Grundstruktur

Redakteure einer Boulevardzeitung besuchen ein Asylbewerberheim. Der online veröffentlichte Bericht ist mit sieben Fotos illustriert, die mit der Zeile „Diese Baracken sind für uns das Paradies“ überschrieben sind. Insgesamt sind acht Bewohner der Unterkunft erkennbar abgebildet und namentlich genannt. Eine Nutzerin des Internetportals teilt mit, dass die Aussagen der Asylbewerber verfälscht wiedergegeben seien. Keiner der Bewohner habe das Heim als „Paradies“ bezeichnet. Alle seien mit den Zuständen in der Unterkunft unzufrieden. Der Heimbetreiber habe die Redaktion bei dem Rundgang begleitet und „übersetzt“. Er beherrsche jedoch – so die Beschwerdeführerin weiter – die Landessprachen der Bewohner überhaupt nicht. Außerdem sei diesen nicht klar gewesen, dass Fotos von ihnen in der Zeitung veröffentlicht werden sollten. Die Rechtsabteilung des Blattes lässt den Autor des Berichts antworten. Nach dessen Darstellung sei der Besuch des Heims bei der Kreisverwaltung angemeldet worden. Weder seien Aussagen verfälscht noch Menschen ohne ihre Zustimmung fotografiert worden. Sie seien auch nicht im Unklaren darüber gelassen worden, dass die Fotos veröffentlicht würden. Die Bilder machten deutlich, dass die Beteiligten freiwillig posiert hätten. Sie seien gefragt und über den Zweck des Fotografierens aufgeklärt worden. Die Umstände in der Unterkunft würden – so der Autor in seiner Stellungnahme weiter – nicht verherrlicht. Die Missstände würden klar benannt. So sei von „schäbigen Baracken“ die Rede sowie vom Besuch in der „umstrittensten Flüchtlingsunterkunft im Lande“. Zugleich sei diese ein Ort der Hoffnung. Dies erkläre sich nicht aus dem Zustand der Unterkunft, sondern aus dem Lebensweg der Menschen. Diese hätten ihr Land verlassen und wünschten sich in Deutschland einen Neuanfang. Dieser Kontrast zwischen „schäbigen Containern“ am Rande eines Gewerbegebiets“ und Hoffnungen und Wünschen sei Dreh- und Angelpunkt des Textes. Die Überschrift nehme dies auf und verdichte sie. Im Übrigen werde keiner der Bewohner – wie von der Beschwerdeführerin behauptet – mit der Aussage zitiert, dass die Zustände paradiesisch seien. Falsch sei auch, dass der Lagerbetreiber übersetzt habe. Die Gespräche seien auf Englisch geführt worden. Bei einem afghanischen Geschwisterpaar habe der ebenfalls im Text erwähnte Afghane Mohammed gedolmetscht.