Asperger-Autisten nicht diskriminiert
Das Massaker von Newtown: Zeitschrift auf Ursachen-Suche
Die Online-Ausgabe eines Nachrichtenmagazins berichtet über den Amoklauf an einer Schule in Newtown (US-Bundesstaat Connecticut) unter der Überschrift „Asperger-Autismus: Blind für die Emotionen anderer Menschen“. Der Beitrag konzentriert sich auf das Asperger-Syndrom, an dem der Amokläufer gelitten haben soll. Die Aussagen von ehemaligen Mitschülern Adam Lanzas wiesen darauf hin. Die Zeitschrift schreibt über den psychischen Zustand des Täters: „Sollte Adam Lanza tatsächlich an einer Form von Autismus gelitten haben, ist das noch lange keine Erklärung für seine grausamen Taten. Gleichwohl gab es bereits Amokläufer, bei denen auch Asperger-Autismus diagnostiziert worden war.“ Nach Erscheinen des Beitrages korrigiert die Redaktion den Beitrag. Sie fügt hinter den Beispielen für Mörder, die am Asperger-Syndrom litten, einen erläuternden Absatz ein. Darin warnt die Redaktion vor einem trügerischen Schluss: „Es wäre fatal, von diesen Einzelfällen aus einen kausalen Zusammenhang abzuleiten. Das Gegenteil ist der Fall.“ Dann zitiert die Redaktion aus dem Buch eines Jugendpsychiatrie-Professors, der davon ausgeht, dass autistische Menschen eine niedrigere Kriminalitätsrate hätten als nicht-autistische Menschen. Zusätzlich wird am Ende des Beitrages eine Anmerkung veröffentlicht. Darin informiert die Redaktion die Leser über die Ergänzungen im Text. Sie betont, dass eine Gleichsetzung von Menschen mit Autismus und Mördern nicht gemeint sei. Dies sei abwegig. Acht Leser beschweren sich beim Presserat über den Artikel. Der Hauptvorwurf: Ohne wissenschaftliche Grundlage, nur auf Basis eines Gerüchts über Adam Lanza, werde ein Zusammenhang zwischen Asperger-Patienten und der Veranlagung zu Gewalttaten suggeriert. Um dies zu erhärten, habe die Redaktion willkürlich aus der Kriminalgeschichte drei autistische Mörder herausgegriffen. Richtig sei, dass autistische Menschen nicht zu Gewalt neigten. Durch den Beitrag würden schwerbehinderte Menschen mit dem Asperger-Syndrom unnötig negativ dargestellt. Die Rechtsabteilung der Zeitschrift stellt ihre Sicht der Dinge dar. Die Redaktion habe über sämtliche Gesichtspunkte berichtet, die auch nur ansatzweise in Betracht kommen könnten, solche Taten zu erklären: Übermäßiger Computerspielkonsum, Waffengewöhnung, Misshandlung oder – wie im vorliegenden Fall – auch eine psychische Störung. Schlüssige Antworten gebe es nicht. Unzulässig werde die Berichterstattung dadurch nicht. Und zwar erst recht nicht, wenn die Veröffentlichung über den Amoklauf und die Erwähnung des Asperger-Syndroms zum Anlass eines vertiefenden Beitrages im Gesundheitsressort genommen werde. Zudem werde – so die Rechtsabteilung weiter – über die konkrete Tatkonstellation hinausgehend kein Zusammenhang nach dem Motto „Menschen mit Asperger-Syndrom sind Amokläufer“ hergestellt. Die Zeitschrift verweist abschließend auf die grundsätzliche – eigentlich nicht erforderliche – Klarstellung im Artikel.