Nicht klar genug als Journalist zu erkennen gegeben
Eine Boulevardzeitung berichtet online über einen pensionierten Musiklehrer, der bei einer Bergwanderung tödlich verunglückte. Der derzeitige Schulleiter wird viermal mit Aussagen über das Unfallopfer zitiert. Zudem heißt es, der Schulleiter habe ihn als Jugendlicher selbst als Lehrer gehabt und später noch fünf Jahre mit ihm zusammengearbeitet. Der angeblich Zitierte beschwert sich: Er habe nicht mit der Zeitung gesprochen und auch nicht in einem anderen Zusammenhang die ihm zugeschriebenen Aussagen gemacht. Da er erst seit einem Jahr an dem Gymnasium arbeite, kenne er den Verunglückten auch nicht persönlich. Der zuständige Redakteur entgegnet, er sei mit einem Foto des Unfallopfers zur Schule gefahren und habe mit zwei Damen am Pausenverkauf gesprochen. „Unmittelbar danach kam ein Lehrer hinzu, der sich mir – als ich mich als [Zeitungsname]-Journalist zu erkennen gegeben habe – als Herr [Nachname] vorstellte (sein Foto hängt auch im Eingang des Gymnasiums, insofern war er für mich schnell als Schulleiter zuzuordnen). Besagter Herr sprach dann sehr wohl mit mir über den verunglückten Musiklehrer, auch er bestätigte das Foto und lieferte auch die verwendeten Zitate.“ Auf Nachfrage des Presserats erläutern der Schulleiter und einer seiner Kollegen, dass sich dieser am Pausenverkauf mit einer Verkäuferin über den Verunglückten unterhalten habe. Daneben habe ein Unbekannter gestanden, der sich in das Gespräch eingeschaltet habe. Im Laufe des Gesprächs habe der Kollege erzählt, das er den Verunglückten selbst noch als Lehrer und später auch als Kollegen erlebt habe. Erst im Weggehen habe der Unbekannte gesagt, das sei alles für ihn sehr interessant, da er immer wieder für eine Zeitung schreibe. Seinen Namen habe er nicht genannt, auch keine Aufzeichnungen geführt. Darauf erwidert die Zeitung, dass der Pressekodex keine Pflicht zur Namensnennung enthalte, sondern nur gebiete: „Journalisten geben sich grundsätzlich zu erkennen.“