Namensnennung bringt Licht ins Dunkel
Musikpädagoge unter dem Vorwurf, Schüler missbraucht zu haben
Ein Musiklehrer und Konzertpianist steht unter dem Vorwurf des sexuellen Missbrauchs. Die örtliche Zeitung berichtet über den Fall. Der 63-Jährige soll einen jugendlichen Klavierschüler zunächst dazu überredet haben, mit ihm gemeinsam in seinem Bett zu übernachten. Als der Jugendliche eingeschlafen war, soll der Lehrer ihn entkleidet und sexuell missbraucht haben. Inzwischen hätten sich weitere Musikschüler bei der Polizei gemeldet. Die Ermittlungen – so die Zeitung – stünden noch ganz am Anfang. Der Musiker sei in der Stadt weithin auch als Investor bekannt. Er habe vor Jahren ein Gelände gekauft und ein modernes Kulturhaus mit großem Konzertsaal geplant. Als der Rohbau fast fertig gewesen sei, sei ihm das Geld ausgegangen. Später habe die Stadt die Bauruine gekauft. Ein Leser der Zeitung sieht in dem Beitrag einen Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex (Persönlichkeitsrechte). Der Name des Tatverdächtigen werde genannt, ohne dass die Taten in der Öffentlichkeit begangen worden seien oder die Nennung des Namens der Verbrechensaufklärung dienlich sei. Die Zeitung verbinde die Vorwürfe mit altbekannten Geschichten über die Insolvenz des Künstlers. Durch diese Verquickung werde die Berichterstattung sensationell aufgebauscht. Die Redaktion der Zeitung hat nach eigenem Bekunden sehr intensiv über Für und Wider der Namensnennung diskutiert. Zur Sicherheit habe man sie auch rechtlich prüfen lassen. Nach der Veröffentlichung habe die Redaktion mehrere Zuschriften bekommen. Einige der Einsender hielten die Namensnennung für richtig, andere nicht. Um der Angelegenheit ein sachliches Fundament zu geben, habe die Redaktion auf einer Leserbriefseite eine Erklärung zu ihrer Entscheidung, den Namen zu nennen, abgedruckt. Dass die identifizierende Berichterstattung hilfreich sein kann, Licht in zurückliegende, bisher unbekannte Vorfälle zu bringen, habe sich seither durch die Reaktionen mutmaßlich missbrauchter Schüler gezeigt.