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Mutmaßlicher Täter identifizierbar dargestellt

Redaktion hätte den Mann stärker anonymisieren müssen

Eine Boulevardzeitung berichtet online und gedruckt über Tötungsdelikte. Zwei Männer sollen ihre Ex-Frauen bzw. Partnerinnen umgebracht haben. Die Redaktion stellt zu ihren Berichten Fotos, die die Wohnhäuser der Opfer zeigen. Sie nennt auch die jeweiligen Straßennamen. Eines der Opfer und ein Tatverdächtiger werden im Bild gezeigt. Ein Foto habe die Polizei zur Verfügung gestellt. Das Bild des Verdächtigen ist mit einem Augenbalken versehen. Der Verdächtige sei über 48 Stunden lang auf der Flucht gewesen und inzwischen festgenommen worden. Der Beschwerdeführer kritisiert, dass die Zeitung nicht zwischen Verdacht und erwiesener Unschuld unterscheide. Der mutmaßliche Täter werde mehrfach als „Killer“ etikettiert. Die Beschwerde wird erweitert auf die Ziffer 8 im Hinblick auf die identifizierende Darstellung von Opfern und mutmaßlichen Tätern.

Der Beschwerdeausschuss sieht in der Berichterstattung keinen Verstoß gegen die Ziffer 13 des Pressekodex (Vorverurteilung). Der Tatverdächtige wird durchgängig als „mutmaßlicher Killer“ bezeichnet. Das Gremium sieht jedoch in der Nennung persönlicher Daten im Fall eines der Opfer einen schweren Verstoß gegen den Opferschutz nach Ziffer 8, Richtlinie 8.2, des Pressekodex. Name und Foto eines Opfers können nach Richtlinie 8.2 nur veröffentlicht werden, wenn Angehörige dem zugestimmt haben. Das ist offenbar nicht geschehen. Der Ausschuss spricht eine öffentliche Rüge aus. Als einen weiteren Verstoß wertet das Gremium die Veröffentlichung des Fotos des Tatverdächtigen. Der bloße Tatverdacht reicht als Kriterium nach Ziffer 8, Richtlinie 8.1, des Kodex nicht aus. Die Redaktion hätte den Mann deshalb wirksamer anonymisieren müssen.