Opfer-Foto darf nicht gezeigt werden
Persönlichkeitsrechte überwiegen das öffentliche Interesse
Eine Großstadt-Zeitung berichtet über einen schweren Unfall mit zahlreichen Fahrzeugen auf der Autobahn. Ein Mann habe keine Chance gehabt, als sich ein Lastwagen in sein Auto schob. Die Leser erfahren, dass der Mann in den Trümmern seines Dienstwagens starb, weil er zwischen zwei Lastwagen eingequetscht worden sei. Von dem 32-Jährigen aus Bremen wird ein unverfremdetes Foto gezeigt. Abgedruckt werden auch Bilder von der Unfallstelle. Die Eltern des Verstorbenen schalten einen Rechtsanwalt ein, der sich mit einer Beschwerde an den Presserat wendet. Der Artikel verletze die Persönlichkeitsrechte des Unfallopfers. Indem die Zeitung ein Foto des Mannes veröffentlicht, verletzt sie Ziffer 8, Richtlinie 8.1, des Pressekodex. Außerdem sei die Berichterstattung reißerisch und geschmacklos. Die Hinterbliebenen seien geschockt gewesen, als sie den Unfallbericht als Aufmacher der Zeitung gesehen hätten. Das Bild des Opfers – so der Rechtsanwalt weiter – sei dessen Facebook-Seite entnommen worden und stehe in keinem Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen. Eine Einwilligung hierzu sei nicht eingeholt worden. Das Foto habe den Mann unbeschwert im Urlaub gezeigt. Der Anwalt beanstandet das Verhalten der Zeitung, deren Vertreter im Umfeld der Wohnung des Opfers recherchiert habe. Nachbarn und auch der Arbeitgeber seien befragt worden. Auch das sei presseethisch nicht vertretbar. Der Geschäftsführende Redakteur der Zeitung spricht vom schwersten und folgenreichsten Massenunfall auf dem im Verbreitungsgebiet liegenden Abschnitt der Autobahn. Witterung (Nebel), Jahreszeit, Fahrbahn- und Verkehrsverhältnisse hätten dem Thema zeitgeschichtliche Relevanz und großes öffentliches Interesse verliehen. Den Vorwurf reißerischer Berichterstattung weist die Redaktion zurück. Sie habe reine Fakten aus öffentlich zugänglichen Quellen – etwa Polizei- und Agentur-Berichte – verwendet. Sie räumt jedoch ein, dass sie das Foto des Unfallopfers von dessen Facebook-Account habe. Sie habe vergeblich versucht, die Hinterbliebenen wegen der Einwilligung zur Bildveröffentlichung zu erreichen. Daraufhin habe man eine erlaubnisfreie Nutzung nach Paragraf 23, Absatz 2, Ziffer 1, des Kunst-Urheberrechts-Gesetzes (KUG) angenommen. Grund: bei der Massenkarambolage handele es sich um ein Ereignis der Zeitgeschichte und das Foto verunglimpfe nicht das Andenken des Opfers. Gleichwohl habe sich die Redaktion gegenüber den Beschwerdeführern verpflichtet, das Foto nicht mehr zu veröffentlichen. Bedauerlicherweise sei die entsprechende Anweisung zunächst nicht umgesetzt worden. Dafür bitte die Zeitung um Entschuldigung.