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Begriffe wie „angeblich“ oder „mutmaßlich“ fehlen

Chefredaktion gesteht ein: „Der Text war nicht einwandfrei“

Eine überregionale Zeitung berichtet gedruckt und online über eine New Yorker Studentin der dortigen Columbia-Universität, die ständig eine Matratze mit sich trägt, um auf diese Weise gegen ihre Vergewaltigung zu protestieren. Der Beitrag ist jeweils überschrieben mit „Auf dieser Matratze“. Die Studentin sei von einem Kommilitonen missbraucht worden. Die Universität habe den Fall zunächst sechs Monate lang nicht untersucht, die Studentin dann mit Befragungen gedemütigt und schließlich den im Artikel mit Vornamen erwähnten Kommilitonen von den Vorwürfen entlastet. Der Autor des Beitrages stellt das Thema Vergewaltigungen an Universitäten als großes Problem dar. Der Vergewaltiger der Studentin werde bezichtigt, zwei weitere Studentinnen missbraucht zu haben. Der Beschwerdeführer, ein Leser der Zeitung, kritisiert, dass der Student mehrfach als Vergewaltiger und Peiniger bezeichnet werde. Er vermisse einschränkende Zusätze wie „mutmaßlich“ oder „angeblich“. Die Schuld des jungen Mannes sei nicht belegt. Vielmehr sei er sogar von den Vorwürfen entlastet worden. Durch die Nennung seines Vornamens sei er identifizierbar. Der Student werde im Bericht vorverurteilt und durch die Vorwürfe sowie die Behauptung, er habe zwei weitere Studentinnen vergewaltigt, in seiner Ehre verletzt. Der Beschwerdeführer sieht Verstöße gegen mehrere Ziffern des Pressekodex. Die Chefredaktion der Zeitung gesteht ein, dass der Text nicht einwandfrei sei. Die Redaktion habe ihn sofort nach der ersten Beschwerde aus dem Netz genommen. Der Korrespondent der Zeitung habe sich leider zu sehr an die US-amerikanischen Presseregeln gewöhnt. Diese seien viel laxer als die deutschen. Die Chefredaktion meint, der Autor habe in seinem sozialen Umfeld korrekt gehandelt, leider jedoch nicht bedacht, dass das in Deutschland so nicht gehe. In der Heimatredaktion sei der Text von einer unerfahrenen Vertretung bearbeitet worden. Dabei sei wohl zu viel Ehrfurcht vor dem Autoren im Spiel gewesen. Dies sei keine Entschuldigung, sondern lediglich der Versuch einer Erklärung für den Hergang.