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Neunzehn Beschwerden zu einem Kommentar

Autor beklagt ein „Systemversagen der offenen Gesellschaft“

Eine überregionale Tageszeitung veröffentlicht gedruckt und online einen Kommentar zum Anschlag auf die Synagoge in Halle. Unter der Überschrift „Nie wieder ´nie wieder´!“ schreibt der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer SE, Mathias Döpfner, bei dem Terror von Halle habe man es mit einem „Systemversagen der offenen Gesellschaft“ zu tun. Halle stehe „für das Versagen des Staates in seinem zentralen Auftrag, dem Schutz des öffentlichen Raumes“. Immer weniger werde noch benannt, „wie es ist“ „Es werde „verschwiegen oder beschwichtigend verharmlost“. Und wenn „einige wenige Medien“ die Fakten noch nennen oder grausame Bilder trotzdem zeigten, dann würden vielfach nicht die Tatsachen beklagt, sondern derjenige beschimpft oder gar der Aufwiegelung bezichtigt, der die Realität beschreibe. Im Kommentar heißt es weiter, „Deutschlands Politik- und Medieneliten schlafen den Schlaf der Selbstgerechten und träumen den Wunschtraum der Political Correctness“. Der Autor begründet seine Meinung mit einer Reihe von Beispielen. So beklagt er eine rechtsstaatlich sehr zweifelhafte Flüchtlingspolitik, die kaum unterscheide zwischen Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlingen. Er untermauert seine These unter anderem mit dem „Fall Jatta“. Dabei geht es um den HSV-Fußballspieler Bakery Jatta, der eigentlich Bakary Daffeh heiße und zwei Jahre älter sei als er angebe. Die Ermittlungen zögen sich über Jahre hinweg, und die Journalisten schauten „systematisch weg“. Der Kommentar zieht 19 Beschwerden nach sich. Hauptvorwurf: Döpfner verschiebe in seinem Kommentar die Aufmerksamkeit vom Rechtsterrorismus zur Flüchtlingspolitik. Das Attentat von Halle sei von einem Rechtsextremen begangen worden. Hier die Flüchtlingspolitik oder eine offene Gesellschaft verantwortlich zu machen, sei nicht nur falsch und unerträglich, sondern entspreche auch der Aussage rechtsextremer Parteien. Einige Beschwerdeführer kritisieren auch Döpfners Medienkritik und hier vor allem seine Ansicht, viele Medien würden nicht die Realität beschreiben, sondern verharmlosen. Der Chefredakteur der Zeitung weist die Vorwürfe der Beschwerdeführer entschieden zurück. Der Kommentar entspreche in jeder Hinsicht den standesethischen Vorgaben des Pressekodex. Dass der Kommentar seine Ziele nicht verfehlt habe, möge man in den positiven Reaktionen von Leserinnen und Lesern erkennen, aber auch an der intensiven medialen Auseinandersetzung mit dem Beitrag.