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„Der Artikel liest sich wie ein Werbetext“

Therapeutin darf sich und ihre Praxis redaktionell präsentieren

Unter der Überschrift „Therapeutin setzt auf Selbstheilungskräfte“ berichtet eine Regionalzeitung online über eine Therapeutin und ihre seit 2020 bestehende Praxis. In der Dachzeile ist von einer „neuen Praxis“ die Rede. Das Portfolio der Frau wird vorgestellt. Sie selbst kommt im Bericht ausführlich zu Wort. Am Ende des Artikels sind ihre Telefonnummer und zwei Webadressen angegeben. Der Beschwerdeführer sieht in dem Beitrag einen Fall von Schleichwerbung. Der Artikel lese sich wie ein Werbetext. Der Chefredakteur der Zeitung weist darauf hin, dass es sich bei der Veröffentlichung um einen redaktionellen Beitrag handele. Der Artikel sei Bestandteil der regelmäßigen Berichterstattung über Neueröffnungen, Existenzgründungen und größere Veränderungen in örtlichen Unternehmen, wie sie in der Lokalberichterstattung durchaus üblich seien. Dass der Beitrag verhältnismäßig unkritisch daherkomme, ändere nichts daran, dass er im Rahmen der Pressefreiheit und im Einklang mit dem Pressekodex so veröffentlicht werden durfte. Im Übrigen entspreche es den digitalen Realitäten im Jahr 2023, die Links zu der Porträtierten zu veröffentlichen.

Der Beschwerdeausschuss erkennt in der Veröffentlichung eine Verletzung des in Ziffer 7 des Pressekodex festgelegten Grundsatzes der klaren Trennung von redaktionellen und werblichen Inhalten. Er spricht eine öffentliche Rüge aus. Durch die ausführliche Vorstellung des Praxisangebotes der Therapeutin sowie die Veröffentlichung ihrer Kontaktdaten wurde die Grenze zwischen einer Berichterstattung von öffentlichem Interesse und Schleichwerbung nach Richtlinie 7.2 des Pressekodex deutlich überschritten. Ohne erkennbaren Grund wird einer Anbieterin die Möglichkeit gegeben, sich selbst und ihre Praxis in einem redaktionellen Beitrag zu präsentieren. Das ist presseethisch nicht vertretbar.