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Einstufung als „Querdenker“ erfordert keine Stellungnahme des Betroffenen

Unter der Überschrift „Umstrittener Münchner Professor wird ein Fall für den Verfassungsschutz" berichtet eine Tageszeitung online über einen Kommunikationswissenschaftler, der „unter ‚Querdenker‘-Verdacht“ stehe. Er sei Mitherausgeber der Wochenzeitung „Demokratischer Widerstand“. Das Uni-Institut, in dem er arbeite, verordne die Zeitung im Umfeld von Corona-Leugnern und der rechtsextremen Strömung „Neue Rechte". Der Professor falle nicht zum ersten Mal mit kruden Ansichten zu Politik, Medien und Gesellschaft auf. Auch im Zusammenhang mit der „Hannah-Arendt-Akademie", einer selbsternannten wissenschaftlichen Einrichtung, tauche sein Name auf. Er habe dort auf der Liste der Dozenten gestanden, neben bekannten Wissenschaftsverweigerern und Verschwörungspredigern. Als Autor der Zeitung „Demokratischer Widerstand“ habe er ihren Erfolg unter anderem damit erklärt, dass sie – anders als die „Leitmedien" und „das Internet" – nicht von Politik, Behörden, Wirtschaft und Moral „gekapert" worden seien. Trotz alledem habe er weiter an der Uni unterrichten können. Als aber seine Herausgeber-Tätigkeit bei der Wochenzeitung bekanntgeworden sei, habe die Universitätsleitung den Verfassungsschutz eingeschaltet, um zu prüfen, „ob dienstrechtliches Fehlverhalten vorliegt". Dies habe die Behörde gegenüber der Redaktion bestätigt. Am Ende müsse die Unileitung entscheiden, wie sie mit dem höchst umstrittenen Professor umgehe. Der Beschwerdeführer sieht die Sorgfaltspflicht und die Unschuldsvermutung verletzt. Bei ihrem „Rundumschlag“ gegen den Professor habe die Zeitung versäumt, ihm eine Möglichkeit zur Stellungnahme einzuräumen. Bei der Vorprüfung des Falles weist der Presserat die Beschwerde als „offensichtlich unbegründet“ zurück. Falsche Tatsachenbehauptungen seien nicht ersichtlich gewesen. Auch eine Konfrontation des Betroffenen sei hier nicht pressethisch zwingend gewesen. Der Beitrag berichte über die Tatsache, dass Ermittlungen gegen den Professor stattfinden werden. Die einordnende Beschreibung des Mannes liefere keine konkreten Tatvorwürfe, zu denen er Stellung nehmen müsste. Vielmehr würden hier nur unstrittige Tatsachen geschildert und diese von der Redaktion bewertet. Die Redaktion habe die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung nach Ziffer 13 des Pressekodex gewahrt. Insbesondere werde im Beitrag deutlich, dass erst noch geprüft werde, ob dienstrechtliches Fehlverhalten vorliege. Gegen diese Entscheidung legt der Beschwerdeführer Einspruch ein: Der Artikel enthalte sehr wohl konkrete Tatvorwürfe, nämlich die Mitherausgeberschaft einer angeblichen „Querdenker“-Zeitung aus dem Umfeld der rechtsextremen Strömung „Neue Rechte“. Der Professor hätte die Gelegenheit erhalten müssen, dazu Stellung zu nehmen. Die Redaktion habe sich doch auch um eine Stellungnahme des Verfassungsschutzes bemüht. Aufgrund des Einspruchs eröffnet der Presserat ein förmliches Beschwerdeverfahren. Die Zeitung nimmt zu den Vorwürfen Stellung: Eine Pflicht zur Einholung einer Stellungnahme des Betroffenen lasse sich aus dem Pressekodex nur für streitige oder unklare Sachverhalte ableiten.