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Aufruf zur Lynch-Justiz

Attentäter in den USA gehören laut Kommentar entfernt

Eine Regionalzeitung kommentiert den Terroranschlag am 11. September 2001 in den USA unter der Überschrift „Durchgreifen“. Darin ist folgende Passage enthalten: „Die Antwort darf dann nicht sein, diesen Menschen den Prozess machen zu wollen. Diese perversen Kreaturen, für die das Wort Terrorist noch ein Lob ist, gehören entfernt und zwar ohne dass irgendjemand Rechte einzufordern hat. Wer für ein fanatisches politisches Ziel in Kauf nimmt, dass Tausende Unschuldige sterben und die ganze Welt in Aufruhr bringt, der hat sein Recht zu Leben verwirkt.“ Abschließend stellt der Autor die Forderung auf, dass sowohl mit Osama bin Laden als auch mit Saddam Hussein kurzer Prozess gemacht werden müsse, und zwar ohne mit irgendwelchen Menschenrechtlern herumzudiskutieren. Der Beitrag löst drei Beschwerden beim Deutschen Presserat aus. Ein Leser hält den Kommentar für einen Aufruf zu einem Verhalten gegen die demokratische Ordnung in „übler Biertischdiktion“. Ein zweiter Leser meint, der Kommentar verstoße eklatant gegen die Rechtsordnung und spreche jeder journalistischen Sorgfaltspflicht und Verantwortung Hohn. Ein dritter Leser spricht von einem Angriff auf die freiheitlich-demokratische Rechtsordnung der Bundesrepublik, da universelle Menschenrechte und das Recht auf einen fairen Prozess nicht anerkannt würden. Der Chefredakteur des Blattes, zugleich Autor des Kommentars, vertritt die Auffassung, dass es sich zwar um die Äußerung einer extremen Meinung handele, diese Meinungsäußerung im Rahmen eines Kommentars aber zulässig sei. Man sei sich bei der Veröffentlichung bewusst gewesen, dass der Kommentar eine Extremposition vertrete. Um deshalb ein ausgewogenes Bild zu gewährleisten, habe man eine ausführliche Diskussion in der Leserbriefspalte zugelassen und die Reaktion der Leserinnen und Leser ungefiltert veröffentlicht. (2001)