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Persönlichkeitsrechte

Bewerberin um das Amt einer Landrätin mit einem Makel belastet

In einem Landkreis wird ein neuer Landrat gewählt. Zur Wahl stehen zwei Bewerber, eine 37jährige Oberregierungsrätin und ein 45jähriger Betriebswirt und Wirtschaftspädagoge. Unter der Überschrift „Kandidatin mit Schönheitsfehlern“ berichtet die Zeitung am Ort unter Hinweis auf die Gerüchteküche und genüssliches Schüren durch die Konkurrenzpartei, dass der Ehemann der Kandidatin 1998 wegen Betrugs in sechs Fällen und in einem Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten rechtskräftig verurteilt worden sei. Nach Verbüßung eines Teils dieser Strafe bewege er sich wieder an der Seite seiner Gattin, die Landrätin werden wolle. Die Partei, die sie nominiert habe, halte trotzdem zu ihrer Kandidatin. Man schätze deren politische Kompetenz, Fairness und Persönlichkeit. „Darauf kommt es an, und nicht auf den Ehemann. Und wir haben auch keine Sippenhaft“, wird ein örtlicher Parteifunktionär zitiert. Die Wählergruppe, welche die Frau nominiert hat, beschwert sich beim Deutschen Presserat. Die Freien Wähler im Landkreis seien der Meinung, die Veröffentlichung verletze das Persönlichkeitsrecht der Kandidatin und ihres Ehemannes. Die Chefredaktion der Zeitung betont, im Wahlkampf sei auch das Vorleben des Ehemannes der Kandidatin ein Thema gewesen. Die Frage, ob die strafrechtliche Vergangenheit ihres Ehemanns eine Belastung für die Kandidatur und die mögliche Tätigkeit der Frau als Landrätin sein könnte, sei – wie von der Zeitung berichtet – in den politischen Parteien diskutiert worden. In ihrer Berichterstattung habe die Zeitung ausdrücklich auf den Umstand hingewiesen, dass in den politischen Kreisen der Region bekannt sei, dass der Ehemann der Betroffenen wegen Betrugs zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden sei. Öffentlichkeit sei daher in diesem Fall nicht erst durch den Bericht der Zeitung hergestellt worden. (2000)