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Namensnennung

In einer kleinen Stadt wird eine Frau mit dem Hammer erschlagen. In einer gemeinsamen Pressekonferenz berichten Staatsanwaltschaft und Mordkommission über die Hintergründe des Raubmordes. Der mutmaßliche Täter steht fest, er ist geständig. Ausführlich berichtet die Lokalzeitung über die Ermittlungen der Kriminalpolizei. Im Vorspann werden Vor- und Zuname, Alter und Adresse des Tatverdächtigen genannt. Am folgenden Tag setzt die Zeitung ihre Berichterstattung in der Mordsache fort. Auch diesmal erwähnt sie die Personalien und Adresse. Eine Leserin beschwert sich beim Deutschen Presserat. Mit Namens- und Adressenangabe werde in die Privatsphäre der Familie des Tatverdächtigen so massiv eingegriffen, dass diese mit schwerwiegenden Folgen für ihr weiteres Leben In der Kleinstadt rechnen müsse. Die Zeitung erklärt, sie habe mit ihrer detaillierten Berichterstattung nicht nur den Bürger informieren, sondern auch die kriminalpolizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen unterstützen wollen. Da der Täter die Tatwaffe auf dem Weg von der Wohnung des Opfers zu seiner eigenen Wohnung angeblich weggeworfen habe, sei es für die Auffindung von Zeugen wichtig zu wissen, wo der Täter wohne. Die Zeitung weist ausdrücklich darauf hin, dass sie bei Kapitalverbrechen stets die Namen der Täter nenne, vor allem bei Mord, Totschlag, Entführung und Drogenhandel. (1992)