Foto eines Unfallfahrers
Ein TV-Star verunglückt auf der Fahrt vom Presseball zu einer Disco tödlich. Der Fahrer des Wagens, ein Rundfunkjournalist, liegt sieben Wochen nach dem Unfall noch immer im Krankenhaus. In einem großflächigen Beitrag berichtet eine Zeitschrift über den Unfall, die Familie des Unfallopfers und die Reaktion des »Todesfahrers«: Alle Betroffenen werden in Fotos gezeigt, der Lebenslauf des Journalisten wird in vielen Details beschrieben. Da ist von Stasi-Gerüchten die Rede und der Mann wird als »Angebertyp« bezeichnet. Auch über Frauengeschichten wird spekuliert. Der Rundfunkjournalist beschwert sich beim Deutschen Presserat. Er habe seinen Besuchern am Krankenbett ausdrücklich erklärt, dass er »kein Wort« sagen wolle. Außerdem habe er sich ausdrücklich das Fotografieren verbeten. Niemals habe er Angehörige der DDR-Staatssicherheit protegiert. Die Redaktion ist der Ansicht, dass der Fahrer des Unglücksautos durch den Unfall zu einer relativen Person der Zeitgeschichte geworden sei: Die Verunglückte sei ein beliebter Fernsehstar gewesen, so dass ein erhebliches Informationsinteresse der Öffentlichkeit bestanden hätte, ihr auch bildlich die Person vorzustellen, die den Tod eines ihrer Idole verursacht habe. (1993)