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Ausländer

Unter der Überschrift “Sozialhilfe wie Manager-Gehalt” berichtet eine Regionalzeitung über einen Asylbewerber aus dem Libanon, der eine monatliche Sozialhilfe erhalte, gegen die sich das Verdienst eines Oberbürgermeisters wie ein Taschengeld ausnehme. Der 29jährige beziehe exakt 33.046 D-Mark pro Monat. Der Löwenanteil in Höhe von 29.900 D-Mark entfalle auf Medikamente, die der Bluter im Monat benötige. Jetzt prüfe das Ausländeramt der Stadt über die Deutsche Botschaft, ob die Medikamente tatsächlich nicht im Libanon bezogen werden können. Sollte dies der Fall sein, drohe dem Mann der Widerruf der noch fünf Monate laufenden Aufenthaltsbefugnis. Der Artikel enthält eine Vielzahl identifizierender Angaben wie Wohnort, Alter und Kinderzahl. Auch der Bruder des Betroffenen, der ebenfalls Bluter sein soll, wird erwähnt. Drei Bürger der Stadt und ein Arbeitskreis Pro Asyl schalten den Deutschen Presserat ein. Sie halten die Überschrift für irreführend. Es gehe hier nicht um ein “Gehalt” und damit um Geld zur freien Verfügung, sondern um Aufwendungen für ärztliche Behandlung und Medizin. Dadurch, dass die Zeitung Krankenkosten des Libanesen in Relation zu beliebigen Summen wie Managergehalt oder Bezüge eines Oberbürgermeisters setze, werde eine ausländerfeindliche Stimmung erzeugt. Zudem werde das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen durch eine Vielzahl detaillierte Angaben zu seinen persönlichen Lebensumständen verletzt. So lebten in der Stadt beispielsweise nur drei libanesische Familien. Der Betroffene sei daher leicht identifizierbar. Schlimm sei auch, dass ein Bruder erwähnt werde, der mit der Sache überhaupt nichts zu tun habe. Die Leitung der Heimatredaktion der Zeitung erklärt, sie habe exemplarisch darstellen wollen, in welcher Form und in welcher Höhe heute Sozialhilfeleistungen von der öffentlichen Hand erbracht werden müssen. Hierbei sei es zweitrangig, dass der Sozialhilfeempfänger ein abgelehnter Asylbewerber sei. Dass im vorliegenden Fall der weitaus größte Teil der Leistungen für den Kauf von Medikamenten aufgewendet werde, ändere nichts an der Definition als Sozialhilfeaufwand. Insofern sei die Darstellung der Zeitung nicht falsch. Die Anonymität des Asylbewerbers sei gewahrt worden. Nicht einmal andeutungsweise habe man seinen Namen oder seinen Wohnbereich genannt. Ein Rückschluss auf seine Identität sei in einer Stadt, die 80.000 Einwohner habe, nicht möglich. Das Krankheitsbild des Mannes habe geschildert werden müssen, um dem Leser die hohen Aufwendungen zu erläutern. Auf die Erwähnung des Bruders hätte jedoch verzichtet werden könne. Die Zeitung räumt auch ein, dass die Schlagzeile des Artikels nicht sehr glücklich gewählt war. Eine entsprechende Klarstellung sei jedoch in mehreren Beiträgen erfolgt. Zudem habe man alle Leserstimmen zu diesem Vorgang gedruckt. (1997)