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Diskriminierung von Ausländern

Bei Ladendiebstahl war der Hinweis auf die Herkunft überflüssig

„Der Dieb – laut Polizei ´vermutlich ein Spätaussiedler´ – betrat den Verkaufsraum…“. Eine Regionalzeitung setzt ihren Bericht über einen Ladendiebstahl mit einer Personenbeschreibung fort, in der es heißt, der Unbekannte habe „deutsch mit russischem Akzent“ gesprochen. Die gleiche Zeitung berichtet später über eine Gerichtsverhandlung. Die Angeklagten werden dabei als „vier Russlanddeutsche“ und ein weiterer als „Übersiedler aus Kasachstan“ bezeichnet. Bei dem früheren Kasachen, der unter der Anklage steht, zwei Nachbarn erstochen zu haben, die ebenfalls aus der früheren Sowjetunion stammen, merkt die Zeitung an, der Mann spreche so gut wie kein Deutsch. Zudem sei es ihm nicht gelungen, in der neuen Heimat Fuß zu fassen. Ein Leser der Zeitung kritisiert, dass in dem ersten Bericht die Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe genannt wird. Nach seiner Ansicht würden dadurch Integrationsbemühungen zunichte gemacht und Hass, Ablehnung und Gewaltbereitschaft gefördert. Er legt einen umfangreichen Schriftverkehr vor, aus dem hervorgeht, dass er sowohl die Polizei als auch die Zeitung aufgefordert habe, bei eventuellen Straftaten die jeweilige Volksgruppe nicht zu nennen. Der Leser schaltet den Deutschen Presserat ein. Die Chefredaktion der Zeitung weist auf den regen Meinungsaustausch mit dem Leser hin, dem bekannt sein dürfte, dass die Redaktion die Herkunft eines Verdächtigten nur dann nenne, wenn es sich um eine Straftat handle, bei der die Volksgruppe relevant sei. Dem Wunsch des Lesers, diese grundsätzlich nie zu nennen, könne und wolle man nicht entsprechen. Es gebe Fälle, bei denen die Nationalitätennennung gerechtfertigt sei. So etwa, wenn Straftaten in bestimmten Bevölkerungsgruppen häufig vorkommen oder im Fall von Fahndungen. Die ganze Diskussion – so die Chefredaktion weiter – laufe vor dem Hintergrund eines aktuellen Falles, bei dem ein Russlanddeutscher zwei Menschen umgebracht habe. Sie verweist auf einen Bericht über diesen Fall (Überschrift „Ein Chancenloser im Blutrausch“), in dem die Tat analysiert und die Situation des Russlanddeutschen dargelegt wird. Die Redaktion sei von verschiedenen Seiten gelobt worden. Sie habe das Thema sehr verantwortungsbewusst behandelt. (2002)