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Spekulation mit „soll“ gekennzeichnet

Zeitung hat keinen „fahrlässigen Eingriff in den Geschäftsbetrieb“ begangen

Möglicherweise wird – wenn ein großer ausländischer Partner abspringt – eine Landesbank eingreifen, um ein Unternehmen der Telekommunikationsbranche zu stützen. An einem solchen Notfallplan arbeitet offenbar das Wirtschaftsministerium des Landes. Das berichtet eine überregionale Wirtschaftszeitung mit dem Hinweis auf „Informationen aus der Landesregierung“. Der Vorstand der Landesbank schaltet den Presserat ein. Die Zeitung habe gegen die journalistische Sorgfaltspflicht verstoßen. Der Artikel stelle einen fahrlässigen Eingriff in den Gewerbebetrieb der Landesbank dar. So habe zum Beispiel die Research-Abteilung einer großen Investmentfondsgesellschaft die Anleihen der Landesbank zum Verkauf stellen wollen, weil mit der in der Zeitung beschriebenen Transaktion eine erhebliche Verschlechterung der Bonität verbunden gewesen wäre. Die Rechtsabteilung der Zeitung stellt fest, dass in dem fraglichen Beitrag über Gespräche zwischen dem Firmenchef und dem Landeswirtschaftsminister berichtet wurde. Thema sei dabei auch die Überlegung gewesen, dass die Landesbank bei einem Ausstieg des ausländischen Partners kurzfristig einspringen solle. Es sei bekannt, dass die deutschen Landesbanken eng miteinander verflochten seien und sich vollständig in der öffentlichen Hand befänden. Vor diesem Hintergrund sei es geradezu zwangsläufig, dass – wenn ein Großarbeitgeber in Turbulenzen gerät – Rettungsüberlegungen zunächst mit der Politik besprochen würden. In einer Agenturmeldung, die die Rechtsabteilung beifügt, ist davon die Rede, dass sich das Wirtschaftsministerium lediglich gegen die Bewertung „Notfallplan“ gewendet habe, nicht aber, dass Gegenstand der Gespräche auch eine der Landesbank zugedachte Funktion gewesen sei. Dass es sich bei der Einbindung der Landesbank um eine Spekulation gehandelt habe, sei durch das Wort „soll“ kenntlich gemacht worden. (2002)