Geheimsphäre einer Kranken
Boulevardblatt beschreibt Zustand einer früheren Sportlerin
Eine Boulevardzeitung meldet einen „Hilfeschrei aus der Nervenklinik“. Sie rekonstruiert in ihrem Bericht, wie es zu der Einweisung einer bekannten ehemaligen deutschen Spitzensportlerin in die psychiatrische Abteilung eines Krankenhauses gekommen sei. Nach Darstellung der Polizei solle die Frau in einem Hotel wirre Selbstgespräche geführt und Gäste beschimpft haben. Sie selbst bekunde Ahnungslosigkeit und werfe der Polizei brutale Übergriffe vor. Die Hälfte des Artikels ist ausgefüllt mit einem großformatigen Foto, das die Frau erkennbar zusammengebrochen vor der Klinik zeigt. Vier Wochen später berichtet das Blatt in ähnlicher Aufmachung, dass die Betroffene mit Wahnvorstellungen in die Psychiatrie einer Uniklinik überführt worden sei. Auch hier macht gut die Hälfte des Beitrages ein Foto aus, das die Frau in dem gleichen zerrütten Zustand zeigt wie auf dem Foto zuvor. Ende der Woche laufe der Betreuungsbeschluss des Amtsgerichts aus, heißt es im Text. Der Anwalt der Frau gehe davon aus, dass sie bald entlassen werde. Auch die einstige Top-Karriere-Frau wird zitiert. Sie wolle nach der Entlassung arbeiten, arbeiten, arbeiten. Beide Beiträge enthalten zudem Fotos aus der erfolgreichen Vergangenheit der Betroffenen. Ein Rechtsanwalt erhebt in eigenem Namen Beschwerde beim Deutschen Presserat gegen die Veröffentlichung. Nach seiner Ansicht liegt hier eine Missachtung der Menschenwürde sowie eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der ehemaligen Sportlerin vor. Eine wirksame Zustimmung der Frau zu der Veröffentlichung der Zitate und der Bilder gebe es nicht. Sie habe wohl mit der Autorin beider Artikel gesprochen und vermutlich auch der Veröffentlichung der Fotoaufnahmen vor der Klinik zugestimmt. Auf Grund ihrer gesundheitlichen Situation sei diese Zustimmung jedoch unwirksam. In diesem Zusammenhang merkt der Anwalt an, dass das großformatige Foto des zweiten Beitrags vor der ersten Klinik und nicht vor der zweiten entstanden sei, wie dem Leser vermittelt werden solle. Die Frau werde durch die Berichterstattung im wahrsten Sinne des Wortes vorgeführt. Die Rechtsabteilung des Verlages nimmt zu der Beschwerde nicht Stellung. Sie lässt den Presserat nur wissen, dass man gerade versuche, sich mit der Gegenseite gütlich zu einigen. (2003)