„An Harmlosigkeit nicht zu überbieten“
Anzeigenblatt bringt Fotos von Passanten ohne deren Zustimmung
Das in einer mittleren Großstadt erscheinende „Informations- und Anzeigenblatt“ bringt jede Woche eine Rubrik „Glückskreis“. Dabei wird jeweils eine Person auf der Straße willkürlich fotografiert. Im Blatt ist das Gesicht des aufgenommenen Passanten durch einen gelben Kreis hervorgehoben. Die Person ist eindeutig erkennbar. Ihr wird ein Einkaufsgutschein im Wert von 25 Euro versprochen, wenn sie sich innerhalb von vier Wochen bei der Redaktion meldet. Das Blatt gibt den Aufenthaltsort der fotografierten Person zum Zeitpunkt der Aufnahme bekannt. Ein Leser der Publikation sieht rechtliche Vorschriften und presseethische Grundsätze verletzt. Neben dem persönlichkeitsrechtlichen Aspekt sieht er auch eine Ehrverletzung darin, dass Fotos von Personen ohne deren Zustimmung für kommerzielle Zwecke veröffentlicht werden. Die Redaktion habe ihm – dem Beschwerdeführer – erklärt, ihre Handlungsweise sei dann gerechtfertigt, wenn auf dem jeweiligen Foto mehr als fünf Personen zu erkennen seien. Wenn er vermeiden wolle, sich in dem Blatt wieder zu finden, möge er der Redaktion ein Foto von sich zusenden. Dann wüsste die Redaktion, wen sie nicht in ihre Rubrik „Glückskreis“ aufnehmen dürfe. Das „Informations- und Anzeigenblatt“ lässt sich durch einen Anwalt vertreten. Es beruft sich auf eine jahrelang geübte Praxis. Die an Harmlosigkeit nicht zu überbietende Aktion zur Förderung der Leser-Blatt-Bindung sei noch nie beanstandet worden. Das Blatt vermutet eine querulatorische Beschwerde. Nach seiner Auffassung zeigten die beanstandeten Fotos typische Übersichtsaufnahmen, ohne dass dabei einzelne Personen individualisiert würden. Diese müssten nicht um ihre Einwilligung gebeten werden. Folglich scheide auch ein Verstoß gegen den Pressekodex aus. Wer sich auf einem der Fotos erkenne, aber gleichwohl den Gutschein nicht haben wolle, bleibe weiterhin anonym. (2008)