Beschwerde über „schreckliche Titelseite“
Zeitung zeigt Video-Fotos vom Ende des Amokläufers Tim K.
Eine Boulevardzeitung berichtet unter der Überschrift „Hier stirbt der Amok-Killer“ über ein Video mit den letzten Sekunden im Leben des Amokläufers von Winnenden. Die Zeitung zeigt auf ihrer Titelseite drei Bilder aus der Videosequenz. Bild 1 zeigt den Täter auf einem Parkplatz. Bildunterschrift: „Die letzten Sekunden im Leben des Tim K.: Auf einem Autohaus-Parkplatz liefert er sich ein Feuergefecht mit Polizisten. Bild 2 zeigt, wie der Junge zusammensackt. Bildtext: „Plötzlich bricht der Attentäter zusammen – getroffen von einer Polizeikugel. Tim K. sackt zusammen.“ Bild 3 zeigt den am Boden liegenden Amokläufer. Bildtext: Wenige Augenblicke, nachdem er getroffen wurde, liegt Tim K. tot auf dem Asphalt: Er hat sich mit seiner Pistole selbst gerichtet. Neben der Überschrift ist ein Foto des Jungen zu sehen. Bildtext: „Der Amokläufer von Winnenden: Tim K. (17)“. Im Beitrag wird auf die Online-Ausgabe der Zeitung hingewiesen, die das komplette Video veröffentlicht. Drei Leser des Blattes wenden sich mit Beschwerden an den Presserat. BK1-113/09: Der Beschwerdeführerin zufolge gehört das Bild eines sterbenden Menschen nicht in die Medien. Geburt und Tod eines Menschen seien intime Momente, die auch intim bleiben sollten. BK1-114/09: Der Beschwerdeführer kritisiert, dass die Redaktion das Sterben eines 17-Jährigen auf der Titelseite als Bildergeschichte zeigt. Dies sei mit einer öffentlichen Hinrichtung vergleichbar. Der Leser bittet den Presserat eindringlich, gegen eine solche Art der Berichterstattung vorzugehen. Er sieht den Pressekodex und hier vor allem Ziffer 11 (Sensationsberichterstattung, Jugendschutz) verletzt. BK1-115/09: Der Beschwerdeführer kritisiert die Veröffentlichung der drei Bilder. Diese „schreckliche Titelseite“ widerspricht nach seiner Meinung dem Pressekodex. Die Rechtsabteilung der Zeitung hält die Berichterstattung für gerechtfertigt. Die Redaktion habe authentisch und ungeschönt in einer zunächst völlig ungewissen Nachrichtenlage ein außerordentlich hohes Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit zu bedienen gehabt. Zu der Ungewissheit habe auch die Frage gehört, wo und auf welche Weise der Täter getötet worden war. Die Präsentation des Ereignisses auf dem Titel entspreche dem mit der Bedeutung und Tragweite der Tat verbundenen Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit. Dies schließe Art und Weise der gesamten Aufmachung mit ein. Es sei zu berücksichtigen, dass die Presse bei der Gestaltung von Überschriften einen besonderen Freiraum besitze. (2009)